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Seilen im Leben Hermanns, welche die Ehre der
deutschen Stämme erhöhen, sondern auch die sind
in Preser's Epos hineingezogen, welche da reden
von der Uneinigkeit linb dem Hader der deutschen
Fürsten und den abermaligen Niedergang Germaniens
im Gesolge hatten. Der Ausbau des Epos zeichnet
sich aus durch klare Uebersichtlichkeit und treffliche
Anordnung und Grnppirung des Stoffes. Der
Dichter geleitet uns von Armin's Aufenthalt in
Rom am Hose des Kaisers, wo der Held welsches
Wesen verachten und deutsche Eigenart der Sitte
schätzen lernte, zu Armin's Heimkehr nach Deutsch
land, schildert uns dessen Parteiungen und Zustünde,
Armin's Liebeswerben um Thusnelda, deren Ent
führung und das Auskeimen und Reisen der Be-
sreinngsgedanken bis zu ihrer Ausführung, soweit
sie Armin beschieden war. Der Schwerpunkt ruht
selbstverständlich in der Schlacht im Teutoburger
Walde imb Varus' Untergang. Der Natur der
Sache nach, nicht etwa durch Verschulden des Dichters,
fällt der Schluß dann etwas ab. Der Phantasie
des Dichters wird freier Spielraum gelassen, aber
dennoch bewegt sie sich im Rahmen der geschicht
lichen Vorgänge und Ereignisse, denen in keiner
Weise Gewalt angethan wird. Daß ein Dichter,
der in allen Fasern seines Ichs so fest im hessischen
Volksthum wurzelt, wie Carl Preser, nicht
verabsäumt, die Vorfahren seines Volksstammes
in die Darstellung hineinzuziehen, sei nicht ver
schwiegen. Gewiß wird dieser Umstand die für-
vaterländische Dichtungen zugänglichen Kreise im
Hessenland um so eher veranlassen, sich in das
Arminslied zu vertiefen, als diese Hineinbeziehung
völlig ungezwungen, und ohne ausdringlich zu er
scheinen, vor sich geht. Sei die schöne Gabe den
Lesern des „Hessenlandes" bestens empfohlen.
Losch, Philipp. Johannes Rhenanus,
ein Casseler Poet des siebenzehnten Jahrhunderts.
Marburger Jnaug.-Diss. Göttingen, Druck von
E. A. Huth. 1895. (VI u. 98 S.) 8°.
Erfreulicher Weise beginnt mit fortschreitender
Spezialsorschung auch die Geschichte des geistigen
Lebens unseres Hessenlandes in Literatur, Kunst
und Wissenschaft und die Geschichte hervorragender
Träger desselben aus dem Dunkel herauszutreten,
in dem sie bisher derart befangen war, daß noch
Münscher und Bühr im Allgemeinen mit einem
bedauernden: non liquet! darüber hinweggehen
konnten. Und in der That ist eine sorgfältige
Neubearbeitung und Fortführung der großen
Strieder'schen Gelehrtengeschichte längst als ein
dringendes Bedürfniß anerkannt worden. Dazu
bedarf es jedoch vor allem noch der Vorarbeiten,
und man möchte nur wünschen, daß diesem
Bedürfniß recht viele ebenso fleißige und um
sichtige Monographien, wie die vorliegende es ist,
nachkämen. Zumal das erste Jahrhundert des
Bestehens der Landesuniversität Marburg dürfte
mannigfache Anregungen bieten. So fehlen uns,
um nur Einiges zu erwähnen, noch immer genügende
Arbeiten über den Chronisten Dilich, über Wilhelm
Kirchhof, den Verfasser des „Wendunmut", über
den aus Hessen stammenden Dramatiker Heinrich
Hirtzwig, über Johann Oldendorp, in seinen Staats-
nnd Völkerrechtslehren den Vorläufer von Hugo
Grotius.
Namentlich auf dem Gebiet der Literatur ist
bislang so gilt wie nichts gethan, und doch steht
unser gelehrter Landgraf Moritz neben dem Herzog
Heinrich Julius von Braunschweig als Begünstiger
der dramatischen Muse (seine Dramen sind uns
leider verloren) hoch über allen seinen Zeitgenossen
unter den deutschen Fürsten. Mit Freuden muß
man es daher begrüßen, daß eine Sammlung
hessischer Dramen von Seiten unseres Marburger
Literarhistorikers und Landsmannes Professor-
Edward Schröder zu erwarten steht, zu der die
handschriftlichen Schätze der Ständischen Landes
bibliothek das reichste Material liefern dürften.
Aus die Anregung dieses Gelehrten ist denn auch
die Arbeit eines jungen hessischen Germanisten
über Johannes Rhenanus zurückzuführen, aus der
wir das Wesentlichste herausheben wollen.
Rhenanus war aus einer hessischen Familie (der
Großvater, Pfarrer in Allendors und „Befehls
haber und Mitsalzgrebe in den Sooden", ist der
Verfasser der sog „Salzbibel", der Vater war
Leibarzt des Landgrafen Moritz gewesen) gegen
Ende der 80er Jahre des 16. Jahrhunderts in
Kassel geboren, studirte seit 1609 in Marburg,
nach seines Vaters Tode von Landgraf Moritz
unterstützt, Medizin und Chemie, und bekleidete
dann die Stelle eines landgräslichen Leibarztes
und, den chemisch-alchymistischen Neigungen Moritzens
entsprechend, vor allem eines Hof-Alchymisten
und Aufsehers des chemischen Laboratoriums des
Landgrafen. Mit seiner ärztlichen Thätigkeit muß
es nicht weit her gewesen sein. Auch den Stein
der Weisen zu entdecken, wie er in einer lateinischen
Abhandlung seinem hohen Gönner versprochen, war
ihm nicht beschieden; nicht einmal die Goldfabrikation
scheint ihm gelungen zu sein, wenigstens interessirte
ihn mehr das Gold seines Herrn und das Gold
des Weines, beides angeblich gur Förderung seiner
Experimente. Ueberhaupt wird er sich innerlich
oft genug über die alchymistischen Liebhabereien
des Landgrafen lustig gemacht haben (S. 15).
Wann er gestorben ist, wissen wir nicht; vielleicht
lebte er gegen Ende 1637 noch. Sein Mangel