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Wirthshäusern finden, übernahmen sich nicht selten
in die tiese Nacht hinein mit allerhand Getränk,
richteten mit Rusen, Schreien, Zanken und Schlagen
in den Häusern und auf den Gassen lose Händel
und Ungelegenheit an, ja verschonten gar der
Ronden und Nachtwächter nicht, sondern setzten
selbigen, wie man unterschiedlich in der That
erfahren, zur Ungebühr zu, stellten wohl auch
sonst allerhand Unrath und Molestien an, wodurch
leicht Zank, Unwillen, Schlägereien, ja sogar
Todtschlag entstehen kann." Stadtkommandant
und Bürgermeister hatten dafür Sorge zu tragen,
daß, wenn die Haupt- oder Bürgerronde nach
dem Zapfenstreich in den Häusern oder aus
der Gasse Nachtschwärmer anträfen, die in den
Wirthshäusern beim Gelage oder an anderen
Stellen Muthwillen trieben oder Unthaten ver
richteten, sie die Uebelthäter, ohne viel Federlesens
zu machen, bei den Köpfen nähmen und etwa
ertappte Soldaten auf die Hauptwache, Bürger
jedoch auf die Bürgerwache zur Verwahr und
Haft brächten, nachgehends aber die Soldaten von
dem Kommandanten, die Bürger von dem Bürger
meister dem Thatbestand gemäß bestraft würden.
Etwa betretene Wirthe erwartete ebenfalls ge
bührliche Strafe.
Daß der Landgraf vernünftiges Einsehen besaß
und bei aller Strenge den Verhältnissen Rechnung
zu tragen wußte, bewies er auch jetzt wieder.
Vermuthlich im Interesse des dem Aufschwung
seiner guten Residenzstadt förderlichen Verkehrs
verfehlte er nicht ausdrücklich hinzuzufügen: „doch
kann bei währenden Jahrmärkten wegen der
Fremden in den Wirthshäusern hierunter etwas
conniviret und nachgesehen werden".
Ein weiteres Stück aus dem Bereich der
Sicherheitspolizei, dem Landgraf Wilhelm vor
zugsweise seine Aufmerksamkeit schenkte, war das
Feuerlöschwesen. Diesem galt seine den
heutigen Ansprüchen selbstverständlich nicht mehr-
angemessene, für jene Zeit aber gewiß durchaus
brauchbare und bewährte Feuerordnung für
die Stadt Kassel vom 2. Mai 1659 (H. L.-O. II,
S. 564—568), die sich nicht nur auf das Feuer
löschwesen im engeren Sinne erstreckte, sondern
darüber hinaus Vorschriften behufs Verhütung
etwaiger Feuersgefahr enthielt. Von der Vor
beugung der Feuersgesahr handeln die
Paragraphen 23—31 der Ordnung.
Vielleicht ist es unseren Lesern nicht unerwünscht,
den Inhalt gerade der Feuerordnung ein wenig
näher kennen zu lernen, um so mehr als das
Hessenland neuerdings wieder von Feuersbrünsten
ausnehmend schwer heimgesucht wurde, zudem aber
sich in der Ordnung von 1659 manches kultur
historisch Bezeichnende findet.
Was zunächst die Vorbeugungsvorschriften an
betraf, so untersagte der Landgraf für die Zukunft
die Errichtung von Strohdächern und gebot den
Abbruch der vorhandenen. Gefährliche Rauchsänge
und Schornsteine, desgleichen Malzdörren sollten
innerhalb der nächsten zwei Monate abgeschafft bezw.
umgebaut werden, widrigenfalls sie von Amtswegen
über den Haufen geworfen werden würden. Jeder
mann hatte bei Tag und Nacht auf sein Licht
und Feuer steißig Acht zu geben, die Schornsteine
jederzeit reinzuhalten, Stroh, Heu, Kohlen, Holz,
Späne, Werg, Flachs, wie andere leicht entzünd
bare Stoffe aus der Nähe der Schornsteine zu
entfernen, des Nachts über das noch nicht aus
gegangene Feuer oder glimmende Asche mit eigens
dazu verfertigten Pfannen und Töpfen vorsichtig
zuzudecken, vor allem aber die Ofenlöcher mit
nöthigen Thürlein zu verwahren. Niemand durste,
vom Spinnen abgesehen, bei Nacht Flachsarbeit
verrichten, noch mit Lichtern auf Flachs-, Stroh-
und Heuböden gehen, noch mit Strohwischen in
den Häusern oder aus den Straßen herumlaufen.
Sämmtliche Bürger oder Einwohner, zumal die
Gastwirthe, hatten sich mit wohl verwahrten
Leuchten zu versehen und nicht zu gestatten, daß
das Gesinde im Finstern mit unverwahrten
Lichtern in die Ställe ginge. Für jedes Jahr
wurde, sonderlich zur Flachszeit, eine allgemeine
Haussuchung (die sog. Feuervisite) angekündigt,
um sich über vorschriftsmäßigen Zustand der
Häuser zu überzeugen und dabei u. a. nachzusehen,
wie und wo der Flachs aufbewahrt werde. Alles
Dörren und Trocknen des Flachses in den Stuben
oder Backöfen war verboten. „Das Tabaktrinken"
in Scheuern, Ställen oder auch in den Stuben
auf den Streuen war gänzlich abzustellen. Die
Krämer, welche Pulver feil hielten, hatten dieses
an sicheren Orten aufzubewahren, wohin kein
Feuer und Licht kam, die Eltern sorgfältig auf
zupassen, daß ihre Kinder nicht mit Feuerwerk
umgingen.
Brach dann trotz aller Vorsicht wirklich Feuer-
aus, so war es die Aufgabe der Wächter auf
dem Thurme der Martinskirche unverzüglich Nach
forschungen anzustellen, sobald sie nur verdächtigen
Rauch aufsteigen sahen, und Anzeige zu erstatten,
auch die Feuerglocke zu ziehen. Einwohner, die
die Entstehung von Feuer erblickten, hatten sofort
ein Feuergeschrei zu erheben. Alsbald mußte
Anstalt getroffen werden, daß das Wasser aus der
Druselleitung behutsam zu der Feuerstelle geleitet,
bezw. aus der Fulda dorthin gefahren werden
konnte. Bürgermeister und Rath begaben sich