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die Öffentlichkeit bestimmt waren, der Bevölkerung
durch die Beamten gehörig zur Kenntniß gebracht
wurden, bemt nur so konnte es gelingen, den
gemeinen Mann mit deren Inhalt vertraut zu
machen und ihm das Verständniß der wohl
meinenden Absichten und Ziele des Fürsten näher
zu bringen. Die Landesordnungen und Regierungs
verfügungen sollten nach Anweisung des Land
grafen in allen Städten, Aemtern und Gerichten,
an den Rath-, Amt- und Gerichtsstuben öffentlich
angeschlagen werden; war ein Anschlag schadhaft ge
worden oder entfernt worden, so hatte der Beamte
des Orts für dessen Erneuerung zu sorgen. Im
Oktober 1656 ordnete der Landgraf auf ein
gegangene Klagen über ungenügende Bekannt
machung der Regierungserlasse durch die Regierung
zu Kassel an, daß die Auswahl der Stellen, wo
Ausschreiben und Verordnungen anzuschlagen
wären, auf das Sorgfältigste getroffen werden
sollte und besonders auf die leichte Zugänglichkeit
solcher Anschlagstellen zu achten sei (a. a. O.,
S. 361).
Genauer erfahren wir aus dem Mandat
gegen die Mörder und Straßenräuber vom
21. Juni 1652, wie die Beamten für möglichste
Verbreitung der Kenntniß der landgräflichen
Verfügungen zu sorgen hatten. Darin wurde
den Ober- und Unterbeamten, sowie Bürger
meister unff Rath in den Städten und Flecken
nebst den Greben und Vorstehern in den Dörfern
ilnd den mit Gerichtsbarkeit versehenen adligen
Landsassen aufgegeben, die fürstliche Verordnung
den Stadt- und Amtsbesohlenen bezw. Hintersassen
nicht allein bei Gelegenheit der ersten Bekannt
machung „jetzo bald, sondern auch fürters alle
Jahr viermal bei den offenen Gerichten oder
ungebotenen Dingen öffentlich verkündigen und
ablesen zu lassen, wie nicht weniger aus den
Rathhäusern, auch anderen gewöhnlichen Gerichts-
stütten", desgleichen sollte jeder Beamte, auch der
Gerichtshalter selbst in seinem Hause zu jeder Zeit
die betreffende Bekanntmachung an einer Tafel
so ausgehängt erhalten, daß sie allen sichtbar
war (a. a. O., S. 160).
In dem Edikt gegen die Feld- und Garten-
beschüdignng vor der Stadt und Festung und im
Amt Kassel vom 21. April 1654 wird gesagt
ja. a. O., S. 221): Wir wollen, daß unser Edict
am gewöhnlichen Ort vor dem Rathhause vom
Oberschultheisen, Bürgermeister und Rath unter
bem Glockenschlag . . . angezeigt und dann nicht
allein an den Thoren dieser Stadt, sondern auch
aus den Dörfern in: Amt angeschlagen und
daneben ... an allen Orten des Amts Kassel
nach gehaltener Predigt auf dem Kirchhofe alle
Jahr zwei Mal zu Frühlings- und Herbstzeiten
öffentlich abgelesen und von jedes Orts Ober
und Unterbeamten sammt Bürgermeister und Rath
allhier darüber mit rechtem Ernst gehalten wird.
Da der Landgraf die Beamten immer von
neuem wieder an treue und fleißige Pflicht
erfüllung erinnern mußte, ist sicher anzunehmen,
daß die Einwirkungen der schlimmen Kriegs
zeit auf die Amtsführung der Beamten leider
von recht nachhaltiger Art gewesen waren. Wenn
aber diese Mahnungen mit dem Beginn der
sechziger Jahre mehr und mehr zu verstummen
scheinen, wenigstens nicht mehr so augenfällig
bemerkbar sind, so dürfte — natürlich nur mit
aller Vorsicht — daraus auf den allmählich
eingetretenen Erfolg der rastlosen Arbeit des
trefflichen Fürsten an der sittlichen Hebung des
Beamtenstandes geschlossen werden können. Land
graf Wilhelm würde dann das beglückende Be
wußtsein mit in's Grab genommen haben, daß
die von ihm gelegten Samenkörner nicht auf
ganz unfruchtbaren Boden gefallen seien.
II. Landgraf Wilhelm und das Ge
richtswesen.
Wenden wir nns nunmehr der Thätigkeit des
Landgrafen auf den einzelnen Gebieter: des staat
lichen Lebens, dem Gerichtswesen wie der Ver
waltung, und zwar zunächst dem ersteren zu,
so ist an die Spitze dieser Erörterung der
Grundsatz zu stellen, der den: Fürsten stets
als oberster Leitstern vor Augen schwebte, nämlich
Sicherung einer rechtschaffenen und un
parteiischen Justiz, ein Grundsatz, der in der
Kanzleiordnung vom 20. März 1656 gleich im
Eingänge mit Nachdruck betont wird (H. L. O.,
II., S. 277 und 278):
1 a. Demgemäß wurde Räthen, die in einer vor
liegenden Sache „ advocando “ oder „consulendo“
betheiligt oder den Parteien bis in den sechsten
Grad verwandt waren, oder aber mit einer der
Parteien in öffentlicher Feindschaft standen, auf
gegeben, sich derselben Sache zu entschlagen und
die Sitzung zu verlassen (a. a. O., S. 281).
Neben der Unparteilichkeit der Rechtspflege ver
langte der Landgraf auch deren Bes chleunigung,
so in Appellationssachen im doeretuui commissionis
vom 3. April 1656 (a. 5 O., S. 310). Jede
Verschleppung von Prvzeßsachen war dem Land
grafen Wilhelm von Grund aus zuwider, wie er
dies im Eingang der Sportelordnung vom
16. Mai 1656 ja. a. O., S. 313) und kürzer
in deren Auszug (a. a. O., S. 316 f.) folgender
maßen aussprach: Erstlich sollen unsere Beamten