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Neustädter und dessen Schluß das Zugeständniß,
zu dem die Altstädter in Wirklichkeit bereit waren.
Die Erinnerung an die Feuersnöthe lag für
die Frankenberger recht nahe, hatte doch am
9. Mai 1476 ein furchtbares Feuer Altstadt und
Neustadt verheert und fast eingeäschert, ein Er
eigniß, das sich am 19. November 1548, also
kurz vor dem Abschluß des Eingemeindungs
Vertrages fast wiederholt hätte, wenn es nicht
geglückt wäre, das 'Feuer auf seinen Heerd in
der Teichgasse zu beschränken, *) und dessen Land
graf Wilhelm in dem Eingangs dieses Aufsatzes
erwähnten Bescheide ausdrücklich gedachte.
Schon aus den oben erwähnten Paragraphen
unserer Urkunde würde hervorgehen, daß die Alt
städter bei der Eingemeindung das hemmende,
die Neustädter das fördernde Element waren.
Zur Gewißheit wird diese Vermuthung im Hin
blick aus die Beschwerde des seiner Herkunft nach
höchst wahrscheinlich der Neustadt ungehörigen
Baumeisters und Seniors Emanuel Höften,—
den Namen Hüsten führen zwei der Rathmänner
aus der Neustadt, die den Vertrag von 1556
unterzeichnet haben, — deren oben gedacht ist,
sowie in Berücksichtigung der Randbemerkungen,
welche Emanuel Höften seiner Abschrift des Re
zesses beigefügt hat.
Weiter erfahren wir aus diesen Aktenstücken,
was für die Neustädter der durchschlagende Grund
war, um die Vereinigung mit Nachdruck zu be
treiben. Unter den Klagen über den Bürger
meister und Rath der Altstadt führt der auf das
Wohl der Neustadt so ernstlich bedachte Mann,
der die Liebe und Freundschaft der Altenstädter
gegen die Neustädter mit der König Saul's gegen
David vergleicht, abgesehen von der Beschwerde
über das nicht eingehaltene Abkommen, daß die
Neustadt im Rathe der Sammtgemeinde stets
durch drei ihrer Angehörigen vertreten sein solle,
vornehmlich den schlechten Zustand der Stadt
mauer an. Der Neubau der Stadtmauer sei trotz
seiner eifrigsten Bemühungen in den vollen
dreißig Jahren, die seit Errichtung des Ver
gleiches von 1556 verflossen wären, bis dahin
so wenig gefördert, daß die Mauer bislang
*) S. Wigand Gerstenberg, Frankenbergische
Chronik, und Land au's Kollektaneen in der Landes
bibliothek unter Frankenberg (Stadt), Excerpte in 8°.
nur in einer Länge und Höhe von 46 Ruthen,
jede Ruthe 14 Schuhe lang und hoch, hergestellt
sei, während noch 36 Ruthen ihrer Fertigstellung
harrten. Und doch leide der weitere Ausbau
durchaus keinen längeren Aufschub, in Be
trachtung, „das bei nacht ein beharlich diebischs
unnd gantz geverlichs auß unnd einlauffens", in
Betrachtung ferner, „das wir in denn eusersten
grentzen des landes wonen unnd uns teglichen
boßer buben und streuffender rotten izunder
sheimsuchens, . . . über gvtt, was hilffe das
Porten zuschliesßens, weil idermann die benebenn
genge weiß unnd die boßenn dieselbigen miß-
bruchenn, wi dan zuvor beschehen unnd noch be-
schihet, wi am tag unnd mit den gengen zu
beweißenn. Ich kann mich nicht genugsam ver
wundern der großen hinlesßigkeit, das niemants
betrachten will bey unns denn groisßen schaden,
so durch solche unbilche hinleßigkeit der algemeiner
stadt ervolgenn kundt". Die noch fehlenden
36 Ruthen werden im Wesentlichen in den Be
reich der Neustadt gefallen sein.
Da diese eindringlichen Vorstellungen bei dem
Landgrafen Wilhelm IV., der als gerechter und
sorgsam wägender Fürst bekannt ist, Gehör
fanden, indem selbiger in seiner Antwort auf
die Beschwerde des braven Baumeisters wegen der
bösen Buben und Landläufer, „der es izo durch die
immer wehrende kriegsleufft hin und Widder viell
giebt, endlichen auch der in der nähe sich er-
eugenden kriegshandell halber" Bürgermeister und
Rath zu Frankenberg die Fertigstellung ihrer
Mauer ernstlich anbefahl, so dürfte kein Zweifel
darüber herrschen, daß dieselben im Wesentlichen
begründet waren. Darüber, in wie weit der An
ordnung des Landgrafen Folge geleistet wurde,
fehlen die Nachrichten, doch wird dies aller
Wahrscheinlichkeit nach geschehen sein, wenigstens
hören wir nichts von ferneren Schwierigkeiten,
die der Ausführung des Eingemeindungsvertrages
von 1556 noch in den Weg gelegt wären.
Vielleicht ist es uns vergönnt, gelegentlich noch
andere bisher unbekannte Belege ausfindig zu
machen, die es ermöglichen, die gleichen Vorgänge
wie hier in Bezug auf Frankenberg auch für-
andere Städte des Hessenlandes zu verfolgen und
so zur Erweiterung unserer Kenntnisse der hes
sischen Städtegeschichte ein Scherslein beizutragen.