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Was Tyndall über Stegmailn als Lehrer der
Mathematik sagt, wolle der geneigte Leser in dem
Jahrgang V des „Hessenlands", 1891, S. 179,
gefälligst nachsehen.
Neben der geistigen Thätigkeit vernachlässigte
Tyndall aber das leibliche Wohl nicht; er benutzte
jede Gelegenheit, sich Anregungen von außen zu
verschaffen. Häufig unternahm er mit Studien-
genosfen Ausflüge in die malerische Umgebung
der Stadt, deren er noch nach einem Menschen
alter mit Worten warmer Zuneigung gedenkt.
„Noch heute", schließt er die Schilderung seiner
Marbnrger Erlebnisse, „steht das freundliche Bild
der Stadt und ihrer landschaftlichen Umgebung
mit all' ihren malerischen und interessanten Punkten
vor meiner Seele: dein Dammelsberg, der Thurm-
spitze, Spiegelslust, Marbach, Wehrda und weiter
hinaus Kirchhain mit dein jähaufspringenden
Basaltfelsen (von Amöneburg). Auf dieser hoch
ragenden Warte steht eine katholische Kirche lind
eine große Anzahl von Wegkreuzen, und das
dabei liegende Dorf hat eine reine katholische
Einwohnerschaft. Dann alle die Erholungsorte,
mit denen die Nachbarschaft Marburgs wie über
säet ist, und die wir von Zeit zu Zeit in kleinen
Trupps zu besuchen pflegten. Der nächst gelegene
war Ockershausen, wo die Studenten sich all
Pfannenkuchen und saurer Milch eine Güte thaten,
ohlie daran zll denken, daß die Milch nur sauer
werden kann unter Mitwirkung mikroskopisch kleiner
Pilzkeime, die das Ferment der Milchsäure bilden.
Bei Erwähnung dieses lebendigen Ferments er-
innere ich mich an eine Delikatesse, die zu meiner
Zeit in Marburg sehr geschätzt war, heutzutage
aber nur noch mit Vorsicht genossen wird. Auf
dick mit frischer Butter gestrichene Schnitten Schwarz
brot wurden Scheibeil rohen Schinkens gelegt.
Die Entdeckung der in den Muskeln des Schweines
eingekapselten Trichinen hat den Genuß des rohen
Schinkens etwas beeinträchtigt. Während wir so
im Laufe des Semesters regelmäßige Ausflüge
in Marburgs Umgebung machten, gab es daheim
gefällige Zusammenkünfte, sog. ,Kränzchen', kleine
Zirkel oder Clubs. So hatten wir unser,Englisches
Kränzchen', dessen Mitglieder einmal in der
Woche im Hanse jedes Einzelnen der Reihe nach
zusammenkamen, um Shakespeare und Tennyson
zu lesen."
So arbeitete Tyndall in Marburg rüstig imb
freudig bis zum Herbste 1850. Durch keiueu
Mißton warell die Marbnrger Tage getrübt
worden. Dann zog er llnch Berlin, wo er mit
gleichem Eifer uild gleicher Energie sich seineil
weiteren Studien hingab. Magnus, die beiden
Rose, Dubois-Reymoild, Clausius, Mitscherlich,
Wiedemann nub Pvggendorff waren hier seine
Lehrer. Kaum zwei Jahre dauerte sein Aufent
halt in Berlin. Nach Londvll zurückgekehrt wurde
er bereits 1853 auf den Lehrstuhl der Physik
und Naturphilosophie an der Royal Institution
of Great Britain und all der School of Mines
berufen. Aber in all' den hervorragenden Stellungen,
bei all' deil Ehrungen, die bem Gelehrten in
feinem späteren Leben zu Theil geworden, hat er
nie seiner ersten Studiensemester vergessen, sondern,
wie lins die vorstehenden Zeilen beweisen, noch in
hohem Alter ans sie zurückgeschallt mit dem
Gefühle wärmster Zuneigung für Natllr und
Menschen unseres unvergleichlichen Marburg.
Di'. A.
-*—!■&!
Aas Fuldaer Liebhabertheater
Boil I. Schwank.
^Aj^arl von Dalberg, der Fürst-Primas des
Ml Rheinbundes, hatte 1810 das Fürstenthum
, A Regensburg in Bayern abgetreten nlid
dafür zu feinem übrigen Besitze Frankfurt,
Aschaffenbllrg, Wetzlar und die unter französischer
Administration stehenden Provinzen Hanau lind
Fulda erhalten.
Der Großherzog brachte öfter mehrere Wochen
im Sommer im Fuldaer Schloß zu. Er begünstigte
Wissenschaft, Kunst lind Theater. Seine Gunst
zu bethätigen hatte er in Fulda Gelegenheit, wo
sich eben ein geselliger Verein für dramatische
Vorstellungeil, Konzerte, Bälle uild gesellige Abende
bildete, bem der Fürst den Namen „Verein der
Musenfreunde" gab und das schöne Orangerie-
gebäude seines Hofgartens überließ. Der eine
Flügel wurde zu theatralischen Aufführungen,
deren selbst Goethe rühmend gedenkt, verwendet.
Zur Ausstattung des Theaters schenkte der
Fürst der Gesellschaft eine Forderung der Staats
kasse an deil Grafen Mvntjoie in Gersfeld, der
bereit war, statt der geschuldeten 1000 Gulden
sein Privattheater der Gesellschaft zu überlassen.
Die guten Dekorationen lind Garderobestücke