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und immer eine auf die andere sich beziehen will,
worüber je zuweilen von derenselben Ehemännern
und Aeltern allerhand Lamentirens erfolgt, und
daher zu besorgen, da diesen ungebührlichen Dingen
nicht mit einem sonderbaren Ernst begegnet würde,
daß über die allerseits vor Augen schwebende Türken-
gefahr, auch andere störsame Kriegs- und Sterbens
läufe, die Unterthanen noch in äußerste Armuth
allerdings durch eigenen Muthwillen nothwendig
gerathen und endlich noch größeres Landverderben
und Ruin aus Gottes gerechtem, durch dergleichen
Ueppigkeit und übelständigen Unordnungen weiter
verursachten Zorn mtb Strafe erfolgen möchte,
und uns dann sonderbar anlieget, daß neben anderen
Lastern nicht weniger sothaner bei hiesiger Residenz
stadt im Schwang gehenden leidigen Kleiderhoffart
und Gepräng, wodurch keine Person im geringsten
weder größer, noch kleiner wird, sondern publieo
und privato durch dergleichen vergeblichen Kosten
nur eitler Schaden beschicht, mit Bestand und
Nachdruck gesteuert und der ohnnöthige Ueberfluß
und Pracht abgeschafft werde. So verordnen Wir
demnach, wollen und befehlen hiermit in Kraft
dieses Edikts, daß ein Jedes von Hof, Stadt und
Militär sich selbsten, wie billig bescheiden, und
seines Herkommens, Standes und Vermögens er
innern und damithin seinen Aeltern und Standes-
Vorfahren nicht ungleich in modesteu, ehrbaren unb
untadelhaften und zumal nicht in kostbaren seidenen,
taffetenen Kleidungen, viel weniger in den neuen
Manteaux, Jacken, Haaraussätzen und Krollen*),
Schuhen, und dergleichen Unnothwendigkeiten daher
gehen, noch von der neuen Mode und fremde aus
ländische Manier nachahmen sodann der entblösten
Hälsen, wie auch alle in nicht besonderen Diensten
stehende Officialen, ingleichen die gesammten Bürger
und Soldaten-Weiber, Kindermägd und Dienst
boten der taffeten, schwarzen, weißen und anderer
Farben florenen Kappen, Hals- und Schürztücher,
sodann auch Kräusel, auch der Röcke, die hoch
mit Schnüren oder Spitzen besetzt — und Schuhen
von weißgebleichtem Leder sich gänzlich enthalten;
die ledigen Personen hingegen im Haar und
nicht zu stattlichem Aufgebände, zum Unter
schied des jungfräulichen Standes von den Ehe
weibern, wie auch 511 Fall gerathenen Personen,
und in Summa ein Jedes sich also bezeigen soll,
wie es vor Gott und der Welt wohlständig und
den Voreltern selbst gut genug gewesen ist. —
Insonderheit aber ist unser ernstlicher Befehl, daß
bei den Leichenbegängnissen und im folgenden
Trauerjahr die schwarze Flor-Trauer gänzlich
kostbaren Spitzen, vielem Band, gefärbten hohen
*) Krolle — Krause.
unterbleiben und es bei der leinwandener weißen'
von hundert und mehr Jahren der gewöhnlichen
Frauen gelassen nud dergestalt der Unterschied
zwischen den Personen auch billig dießfalls observirt
werden soll, mit dem ausdrücklichen Anhang, daß
ein Jedes so hier wider handelt, nicht allein der
öffentlichen Abnehmung des unnöthigen Prachts,
sodann der schwarzen Trauerstücken, florenen Mäntel
und Kappen durch die aus der Bürgerschaft und
Militär expresse bestellten und in Handtreue
genommenen Personen aus den Straßen oder vor
der Kirche gewärtig seyn, sondern auch jedesmal,
so oft es mit einer Tracht, die seinem Stand
zuwider ist, betreten würde, mit l0 Gulden oder
Gefängnißstrase verfallen sein soll. - Angleichen
verordnen Wir hiermit gnädigst, daß die Hand
werksmeister ihre Gesellen und Jungen anweisen,
ihnen auch selbstens behülflich zu seyn, daß
sie vermittelst des verdienten Lohns sich Mäntel
anschaffen, nnb auf den Straßen, zumal auch, wenn
sie zur Kirche gehen, nicht weniger als ihre Meister
und Brodherru derselben sich gebrauchen. — An
gleichen sollen auch bei der verstorbenen ledigen
Leuten Leichenbegängnissen die kostbaren Kronen,
Kränze und Kreuze gänzlich verboten und nur der
gleichen von Rosmarin oder, wie es die Jahrszeit
bringt, von anderen dergleichen grünen Zierrathen
und natürlichen Rosen- und Blumenwerk zugelassen
seyn. Solches meinen Wir ernstlich und gebieten
Unserm Oberschultheißen, Amtskeller und Bürger
meister hiesiger Residenzstadt, daß sie Kraft dieser
von Uns absonderlich zu solchen Fällen ertheilten
Kommission und Befehls steif, fest und unver
brüchlich über dieser Unserer Ordnung halten.
Niemanden, der oder die seyen, wer sie wollen, von
Hof, Stadt und Militär, die sich unstandmäßig
desfalls erweisen, durch die Finger sehen, weniger
selbst durch die Ihrigen darwider thun lassen, und
sobald Jemand oder einige Uebertreter ersehen oder
sonst in Erfahrung gebracht würden, dieselben durch
die bestellten Achtgeber in ein gewisses Verzeichniß
bringen, dasselbe Uns alle Woche überreichen lassen,
und sie dann unverbleiblich zu obvermeldter Strafe
ziehen. Darmstadt, 28. August l684."
I. S.
Kus Keimath und Fremde.
Notizen. Der vor Kurzem von Kassel als
Senatspräsident nach Berlin versetzte vorhinnige
Oberlandesgerichtsrath Coing wird dort ab
wechselnd mit einem anderen Senatsprüsidenten
den Vorsitz in der Prüfungskommission für
Rechtskandidaten führen. — Professor Joseph