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Kasseler Ätrafurtheile des 17. Jahrhunderts,
mitgetheilt von Oe. Hugo Brunner.
Christof Jäger von Butzbach und Georg Hart
achstehend geben wir einige Auszüge ans
1W einem Rügegerichtsprotokoll der Stadt Kassel,
u "j das sich im städtischen Archive daselbst befindet.
Die Urtheile, wenn auch int einzelnen von geringer
Bedeutung, sind doch zusammen für die Kenntniß
ihrer Zeit immerhin von Interesse. Sie umfassen
die Zeit von 1606—1657; und man kann auch
hier die Beobachtung bestätigt finden, daß es die
alte Zeit zwar nicht an (Strafen, wohl aber an
der Ausführung derselben hat fehlen lassen (vgl.
Nr. 4 u. 5, 16 u. 19, 10 n. 20).
1) 1606.
In Peter Bellemanns Haus wohnet das Mensch
mit der halben Nasen; will sich hinfüro fromblich
halten.
2) 1606, Febr. 17.
Ein alt, lahm und hockericht Mensch, so bei
dem Messerschmidt in der Gassen nach dem
Schloß gedienet hat, hat angesucht, daß sie sich
nunmehr allhie ushalten möge, weil sie Alters
und Gebrechlichkeit halben nicht mehr dienen
könnte. Ist ihr erlaubt, sofern sie sich ehrlich
und fromblich halten würde.
3) 1610, März 7.
Der langen Schmalkalderin in Hans von
Cappels Hause ist durch Hans Schnitzen den
Stadtdiener angezeigt, daß sie sich zwischen hier
und Ostern mit ihrem Mann aus der Stadt
Kassel schaffen und an ein andern Ort nieder
thuen sollen.
4) 1610, April 15.
Tobias Moritz soll sich innerhalb 4 Wochen
aus der Stadt mit Weib und Kind abschaffen,
weil er verdächtig befunden worden, daß er an
Gartenpforten Schlosse und Bande abgeschlagen
und Bäume ausgerauft.
5) 1610, Juni 29.
Tobias Moritz ist abermals verdächtig betroffen,
llnd zwo Mistgabeln Balten Hombergen und
Theies Geucken zu Zwehren verkauft, welche
Meister Caspars des Malers Wittib in einem
verschlossenen Häuslein verloren. Derowegen er
uf Erkantnns das Fürstentumb Hessen zu räumen
geschworen und daraus verwiesen worden.
6) 1613.
Des dicken Eckhardts Tochter ist wegen Un
zucht und daß sie mit unterschiedenen Ehemännern
in Unpflichten gelebet, uferlegt, sich demnächsten
aus der Stadt abzuschaffen.
7) 1624, Mai 24.
Nie. Horlaw von Hemsbach, Andreas Müller
von Butzbach, Tönges Fiucke von Kirchhain,
mann von Laudebach, alle Soldaten, sind wegen
begangener Excessen zur Stadt hinaus gewiesen
und haben an Eids statt angelobt, die Verhaftung
nicht zu vindiciren noch zu ahnden.
8) 1627, April 14.
Hansen Schönbergers Frau in der Gnickgassen
ist von deswegen, das sie den Leuten in den
Gürten allerhand Gartengewächse, als Obst, Kraut,
Wurzeln, Rüben u. dergl. gestohlen, uf F. Herrn
Bice-Canzler und Räthe Befelch, andern dergl.
Verbrecherinnen zum Exempel, in den Gügh*) ge
worfen und gebadet worden.
9) ' 1639.
Fritz Kutscher von Hilmes, Amts Land eck, so
mit alten Schlossen und Banden jubiliret, soll
sich innerhalb 8 Tagen abschaffen.
10) 1640.
Thomas Thiele, gent. Schweine-Tönges, hat
wegen ausgegossener Schmehung gegen F. Canzlei
eine Urphede geschworen, sich solches Dinges hin-süro
bei Vermeidung ernster Strafe, genzlich zu enthalten.
11) 1643.
Martha, Marx Zeisen, Kleibers von Fambach,
Hausfrau, ist aus dem Katholischen Schweizer
land bürtig und wegen ihres stetigen gottes
lästerlichen Fluchens, darüber sich sowol gedachter
ihr Mann als die Nachbarschaft beschweret, mit
Vorwissen F. Regierung zum Land hinaus ver
wiesen, auch ihrem Mann, weil derselbe weder
Burger noch Jnzüger, gesagt sich aus der Stadt
zu schaffen.
12) 1643.
Barthel Zinn, Bettelvogt, ist wegen begangener
■ Unzucht an Pranger gestellt, in Gstgh geworfen
und der Stadt und Amts Kassel verwiesen; wohnt
j sonsten zu Snntheim im Amt Homberg.
13) ^ 1643.
Andreas Fingerhued von Waldershausen**) ist
der Stadt und Amts Kassel verwiesen, daß er
sich mit Hn. Reinhard Andres bei Austeilung
j der Almosen geschlagen.
14) 1644.
1 Else Weigand von Heringen, genannt die bunte
Kuh, ist mit dem Keller gestraft und abermal
der Stadt verwiesen worden.
*) Ein Teich? Der Kak oder Gak ist eigentlich der
Schandpfahl oder Pranger, s. iedoch unten Nr. 12. wo
die Nebeneinanderstellung von Pranger und Gägh auf
Verschiedenheit beider hinweist.
**) Wahlershausen.