Le Kniwickelung der geistlichen und weltlichen Herichts-
barkeLI Ln öen fürstlich Kessen-Kassel'schen Wanden.
Von H. Metz.
K n Anlehnung an die „Ausführliche Nachricht
von der älteren und neueren Verfassung der
Geistlichen- und Civil-Gerichten in den Fürstlich-
Hessen-Kassel'schen Landen von Carl Philipp
Kopp" soll in vorliegender Abhandlung eine Dar
stellung der Verfassung dieser beiden Gerichte
gegeben werden. Weit entfernt davon, mit großen
wissenschaftlichen Erörterungen den geneigten Leser
zu behelligen, wird nur darauf hingezielt, eine ge
meinverständliche Beschreibung der Verfassung
vorgenannter beiden Gerichte in den ehemaligen
fürstlich Hessen-Kassel'schen Landen zu bieten.
Was nun die Schilderung selbst anlangt, so
wird dieselbe in mehrere Hauptabschnitte zerfallen,
deren vorliegender Theil die Entwickelung des
Rechtes von der Bildung der Hessengaue an
sowie Allgemeines über die geistlichen Gerichte
enthalten wird.
Hessen wurde bekanntlich in zwei große Gaue,
pagi, den Hessen-Sachsen-Gau und den Hessen-
Franken-Gau, welche beide Gaue wieder kleinere
in sich begriffen, eingetheilt. Jeder dieser beiden
Haupt-Gaue hatte sein eigenes Recht. Im Hessen-
Franken-Gau herrschte das fränkische Recht. Dieses
umfaßte nun nicht allein das alte Gewohnheits
recht der Franken, desgleichen die legos «alieas
und die Kapitularien der fränkischen Könige,
sondern auch das sogenannte fränkische Kaiser
recht und den Schwabenspiegel. In dem Hessen-
Sachsen-Gau herrschte das sächsische Recht, neben
welchem wohl auch das Kaiser-Recht in Gebrauch
war. Sowohl im fränkischen wie im sächsischen
Theile von Hessen bediente man sich des sogenanten
Richtstichs oder Richtsteigs. Dieser ist ein Buch,
etwa eine Prozeßordnung, in welchem der durch
ganz Deutschland bei den Gerichten übliche Prozeß
beschrieben wird. Wenngleich ein jeder Gau sein
eigenes Recht hatte, so war doch keineswegs aus
geschlossen, daß man sich in dem einen Gau auch
vielleicht einmal des Rechtes des anderen Gaues
bediente. So wurde im Sachsen-Gan zu manchen
Erläuterungen der Schwabenspiegel gebraucht,
während man im fränkischen Gau sich wohl auch
des sächsischen Rechtes bediente.
Der oben genannte Richtstich wurde durch die
aus dem römischen Rechte hervorgeholte Prozeß
ordnung gegen Ende des XV. Jahrhunderts
verdrängt und zwar im Jahre 1497 durch Land
graf Wilhelm HI.
Allmälig schlichen sich, wie dies in der Natur
der Sache bei der Begegnung mit anderen Völker
schaften lag, Theile aus fremden Rechten in das
alte hessische Recht ein. Niemals aber hat man
durch Verordnungen dahin zu wirken gesucht,
daß die alten Gesetze aufgehoben würden, im
Gegentheil, in Landesverordnungen und der Hof
gerichtsordnung vom Jahre 1500 werden die
Richter und Beisitzer der Gerichte angewiesen,
nach kaiserlichem Rechte, nach redlichen und ehr
baren Ordnungen, Statuten und Gewohnheiten
des Fürstenthums und der Landschaft zu urtheilen.
Was nun die Einführung des geistlichen und
römischen Rechts in Hessen anlangt, so ist das
Eindringen des ersteren daraufhin zurückzuführen,
daß unter der fränkischen Monarchie die Kaiser in
geistlichen Dingen selbst Gesetze gaben, die das
ganze Reich betrafen und mithin auch Hessen
angingen. Auch die Beschlüsse der Konzilien
und Synoden, sowohl die der allgemeinen als
auch die der besonderen, erstreckten sich auf Hessen,
namentlich die des Erzbisthums Mainz, denn
fast das ganze Land stand unter der Gerichts
barkeit dieses Erzbisthums. Den Anfang des
Gebrauches des geistlichen Rechtes in den welt
lichen Gerichten kann man gegen Ende des XV.
Jahrhunderts ansetzen. Lange Zeit blieb das
alte deutsche Recht und die dem römischen Rechte
entnommenen Rechtssätze neben einander bestehen.
Uüi diesem herrschenden Wirrwar ein Ende zu
machen, faßten die Landesherrn den Beschluß,
ein allgemeines Landrecht entwerfen zu lassen.
So berief Landgraf Wilhelm II. Abgeordnete
sämmtlicher Städte vor sich nach Kassel, um vou
ihnen Erkundigungen über ihre Gewohnheiten