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unterstützt. Das Volk wich zurück, bis ein
großer freier Raum entstanden war.
Winfried nahm aus seinem Gewände ein Kreuz,
hielt es hoch empor und rief mit weithin ver
nehmbarer Stimme: „Wer. sich auf Jesum
Christum, den Sohn des allmächtigen Gottes,
hier bekennt, der trete zu mir!"
Tiefes Schweigen herrschte, und Einer sah den
Anderen fragend an.
Da trat endlich ein junges Weib hervor,
welches ihr Gatte vergeblich zurückzuhalten suchte,
ging auf Winfried zu und sagte: „Ich, Velleda,
Boewolff's Tochter, — jetzt Maria —, das Weib
Jngomar's, des Freisassen, bekenne mich zu
Jesum Christum, Herr."
Sie stand allein im Raum, und Aller Blicke
hingen an ihr.
„Sei gegrüßt, meine Schwester, die Du den
Muth hast, den Herrn zu bekennen."
Nun traten auch Andere heran, Frauen und
Jungfrauen, Hörige, doch nur wenige freie
Männer.
Kaum mehr als hundert waren so, dem Rufe
Winfried's folgend, zu ihm getreten, und mit
verächtlichen Blicken sahen die Anderen zu ihnen
hinüber.
Klein war die Schaar der jungen Christen.
Manche, die den Herrn schon heimlich be
kannten, hatten sich gescheut, hier hervorzutreten,
weil sie sich fürchteten.
Winfried und seine Begleiter wußten es wohl,
doch dachten sie milde über solche Schwäche.
Während er seine kleine Schaar mit dem
Blicke überflog, ließ sich Hufschlag vernehmen,
und die Menge theilte sich, um dem Grafen
Platz zu machen, der mit einigen gewaffneten
Begleitern durch die Menge ritt.
Es war Graf Chlodwig, der den Frankenkönig
im Land vertrat, ein gerechter Mann, geachtet
von den Hessen und gefürchtet.
Er war ohne Rüstung, nur ein schön geziertes
Gewand aus fremdem Stoffe und kostbares
Pelzwerk zierten sein hohe Gestalt, welche an-
muthig zu Pferde saß. Das nach vornehmer
Franken Art nur auf der Oberlippe mit einem
Bart gezierte Antlitz war adlerartig geformt,
und ein kühnes Auge blitzte daraus hervor. In
der Hand trug er den Stab des mächtigen Königs,
und Alle wußten, was das Zeichen der Königs
gewalt für sie bedeute.
Er ritt auf Winfried zu und rief: „Sei
gegrüßt, Vater, ich freue mich, Dich vor allem
Volke zu sehen. Thu', wie Er Dich heißt, doch
vergiß der Klugheit nicht."
Daun lenkte er das Roß, während ihm Alles
ehrfurchtsvoll Platz machte, zu Childerich.
„Mein alter Freund, — mein narbiger Held
von Friedeslar, ich grüße Dich herzlich — und
Dich, schön' Hilda, Du holde Blüthe des Nieder
gaus," sagte er freundlich.
Hilda neigte sich erröthcnd bei dem Lobspruch,
der Alte aber sagte: „Den Göttern sei's gedankt,
Herr, daß Du da bist, — Du und der Stab
des Königs werden mehr bewirken als mein
Wort und meine Axt."
Sehr ernst entgegnetc der Frankengraf: „Wie
mir berichtet ist, wollen die Priester nach langen
Jahren wieder einen Kriegsgefangenen opfern —,
das muß verhindert werden, Childerich, es darf
nicht sein —, opfert den Göttern, was Ihr
wollt, nur Menschen nicht."
„Kann ich's verhindern, Herr ?" antwortete der
Alte. — „Ich bin kein Freund des alten Brauches,
war es nie —, denn ich denke, Donar bedarf
des Menschenblutes nicht, um unsere Felder zu
segnen —, aber, sieh dich um —, hier stehen drei
tausend bewaffnete Männer, aufgestachelt von
Priestern. niein Wort genügt nicht —, und
meine Schaar ist klein."
„Ich sehe es", sagte der Graf und ritt zurück.
Aus dem Haine tönte jetzt ein feierlicher
Gesang, begleitet von den dröhnenden, weithin
vernehmbaren Klängen eines mit schwerem Ham
mer geschlagenen ehernen Schildes.
Alles Volk, welches durch das Erscheinen der
Glaubensboten wie des Grafen schon erregt war,
drängte der Stelle zu, welche den Anblick der
heiligen Eiche und des Altares gestattete.
Im feierlichen Zuge traten hinter dem Altare
die Priester hervor, wohl zwanzig an der Zahl,
denn zu dem hohen Feste waren sie aus weiteren
Entfernungen zufammengekommen.
Voran schritten zwei weiß gekleidete Knaben
und schwangen eherne Pfannen in den Händen,
auf welchen glühende Kohlen lagen, die, oft mit
Zweigen und Beeren des Wachholderstrauches
bestreut, deren nicht unangenehme Düfte in die
Luft sandten.
Hinter ihnen schritten die Priester, gleich den
Knaben weiß gekleidet, die Priesterbinde, mit
gehcimnißvollen Runen gestickt, um die Stirne
und in den Händen Eichenzweige tragend.
In ihrer Mitte ging trotzig ein gebundener
Mann einher, der gefangene Sachse, der am Altare
unter dem Feuersteinmesscr des Priesters sterben
sollte.
Sie schritten auf die Menge zu, denn üblich
war es, vor der Feier unter dem Klange des
uralten Liedes, welches Donar bat, Haus und
Feld zu segnen, einen Rundgang um den heiligen
Hain zu machen.
Die Menge wich zurück, als der Zug kam.
Er mußte dicht an denr Grafen vorbei, der