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Wir haben in der vorigen Nummer unserer Zeit
schrift des Jubiläums unseres hessischen Landsmanns
Adam Traber t in Wien gedacht, heute sind
wir in der Lage, des Jubiläums eines anderen hessi
schen Landsmannes Erwähnung zu thun, der gleich
falls in Oesterreich Stellung gefunden und sich als
Schulmann, Sprachforscher und Kulturhistoriker einen
sehr geachteten Namen erworben hat. Es ist Pro
fessor Theodor Vernaleken zu Graz, der am
28. Januar sein 80. Lebensjahr vollendet hat.
Der Jubilar ist 1812 zu Volkmarsen geboren.
Seine Schulbildung erhielt er zu Marburg und
Paderborn. Von 1830 bis 1834 besuchte er das
Lyceum zu Fulda. Anfänglich dem Studium der
Theologie an der dortigen theologischen Lehranstalt
des bischöflichen Priesterseminars sich widmend, wandte
er sich später aus besonderer Neigung zur Pädagogik
nach Küßnacht, um sich hier unter den Augen Pesta-
lozzi'scher Schüler für diesen Lehrerberuf vorzubereiten.
1837 begann er seine praktische Laufbahn als Lehrer
in Winterthur. Nach Wien kam er 1850 auf das
Betreiben des k. k. Ministerialrathes Exner, der
durch Vernalcken's Lehr- und Hilfsbücher für den
deutschen Unterricht auf dessen besondere Befähigung
aufmerksam geworden war. In Wien war Vernaleken
in mannigfacher Stellung thätig, als Professor der
deutschen Literatur am Polytechnikum, als Mitglied
der Prüfungskommission für Realschultehrer und als
Vorsteher der Lehrerbildungsanstalt. Der Schwer
punkt von Vernaleken's Schaffen liegt in dem, was
er für die Lehrerbildung in Oesterreich gethan hat.
Mit der pädagogischen Thätigkeit Vernaleken's ist aber
blos die eine . Seite seines Schaffens gekennzeichnet.
Nicht minder erheblich sind seine Leistungen auf dem
Gebiete der Germanistik und der Sagenforschung.
Daß die ersteren nicht geringfügig sind, beweist
die Schätzung, welche Vernaleken mit seinen deutschen
Schriften bei Jakob Grimm, Pfeiffer und Uhland
fand. Nicht weniger verdienstlich sind seine Beiträge
zur Sagenkunde. Er sammelte Alpensagen, öster
reichische Brauche und Sitten, Spiele und Reime
der österreichischen Kinder u. a. m. Seit 1877 lebt
Vernaleken, nachdem er sein Lehramt niedergelegt
hat, in Graz. Möge dem Jubilare, der sich wesent
liche Verdienste um die Ordnung des Mittel- und
Volksschulunterrichtes in Oesterreich erworben hat,
noch recht lange ein heiterer Lebensabend vergönnt
sein.
U n i v e r s i tä t s n a ch r i ch t e n. Die philo
sophische Fakultät der Universität Marburg
hat unter dem 30. Januar den Konservator des
Vereins für hessische Geschichte und Landeskunde
Ludwig Bickell zu Marburg zum Doctor
philosophiae honoris causa ernannt. In dem über
diesen Akt ausgestellten Diplome wird der neue Ehren
doktor bezeichnet als „der warme Freund der Künste
wie der Heimatb, hervorragend verdient um die Auf
deckung, Sammlung, Erhaltung und bildliche Auf
nahme der Denkmäler aus der Vorzeit seines ge
liebten Hessenlandes; der die Kunstgriffe und das
Handwerkszeug alter und neuer Zeit, auch verschollenes
und abgelegenes, mit bewunderungswürdigem Scharf
sinn und großer Gelehrsamkeit aufgespürt und sich
angeeignet, sie auch selbstständig vermehrt und ver
vollkommnet hat, sodaß er befähigt war, auf ver
schiedenen Zweigen des Kunstgewerbes bei gegebener
Gelegcnheir ein wahrhaft kundiger Lehrer und Be
rather zu werden“. Die philosophische Fakultät hat
in diesem Diplom nicht nur die ausgezeichneten
literarischen Leistungen Bickell's, seine Schriften über
die Elisabethkirche, über die Eisenhütten des Klosters
Haina, seine „Hessischen Holzbauten" und zahlreiche
Einzelaufsätze und werthvolle Beiträge zu fremder
Arbeit, anerkennen wollen, sondern vor allem auch
seine großen Verdienste um die Sammlung unserer
Kunstalterthümer und um die Grundlegung einer im
großen Stil gedachten Kunsttopographie, eines monu
mentalen Urkundenbuches der hessischen Vergangenheit.
Sie hat bte einzigartige Vereinigung von historischem
und technischem Wissen, die eminente Sachkenntniß
auf allen Gebieten der Kunstbethätigung und das
selbstlose, nun schon durch ein Vierteljahrhundert
fortgesetzte Streben zur Ehre des engeren Vaterlandes
zu der längst verdienten öffentlichen Anerkennung
gebracht und so einen Akt vollzogen, der weit über
die Grenzen unserer Provinz hinaus freudige Genug
thuung erregen wird. (O. Z.)
Die theologische Fakultät der Universität
M a r b u r g hat den Generalsuperintendenten Karl
Friedrich Fuchs in Kassel und den Konsistorial-
präsidenten Otto de la Croix zu Wiesbaden
zu Ehrendoktoren der Theologie ernannt.
Dem Professor der Rechtswissenschaft Dr. Ludwig
Enneccerus in Marburg ist der Charakter als
Geheimer Justizrath verliehen worden. — Der
Professor für neutestamentliche Exegese, Konsistorialrath
Dr. Georg Heinrici in Marburg hat einen Ruf
an die Universität Leipzig erbalten und angenommen.
Derselbe wird zu Anfang des nächsten Winter
semesters dorthin übersiedeln.
Der Professor für praktische Theologie Dr. I. G o tt-
schick in Gießen hat einen Ruf nach Tübingen
erhalten und wird zu Ostern sein neues Lehramt
antreten. — Der Professor für mechanische Tech
nologie Ernst Brauer an der technischen Hoch
schule zu Darmstadt ist an das Polytechnikum in
Karlsruhe berufen worden.
Unser hessischer Landsmann, der Professor der
Kunstgeschichte Dr. Karl Justi in Bonn hat
die kürzlich an ihn ergangene Berufung nach Wien,