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Nach einer Notiz in den „Hessische Erinnerungen,
aus den Papieren eines verstorbenen kurhessischen
Offiziers" soll aber die Behauptung Gerland's,
Canova habe die marmorne Napoleonsstatue
für Kassel gearbeitet, nicht zutreffend sein; es sei
dies vielmehr, wie oben angegeben, ein fran
zösischer Künstler gewesen. Die französische
Statue aus karrarischem Mamor, den Kaiser
Napoleon in Jmperatorenkleidung darstellend,
hat bis zum Ende der westfälischen Regierung
im Jahre 1813 auf dem Königsplatze gestanden,
wo sie dann vom Volke verstümmelt und von der
hessischen Regierung ganz abgenommen wurde,
um in ein herrschaftliches Materialienhaus ver
bracht zu werden.
In die westfälische Zeit füllt auch die An
fertigung eines Grabmals für den westfälischen
General Du Coudras durch Henschel. Das
Monument wurde auf der kleinen Bassininsel
zu Schönfeld errichtet: es bestand hauptsächlich
aus Relieftafeln, welche in Erz gegossen und
in Marmor eingesetzt waren. Bei dem Sturze
des Königreichs Westfalen soll dieses Denkmal
von den Freunden des Generals zerstört und
in Stücken, soweit sie transportabel waren,
nach Frankreich mitgenommen worden sein.
Henschel, einmal in seine Heimath, in das
Haus seiner Eltern, in den Schoost seiner Fa
milie zurückgekehrt, verblieb nun in seiner
Vaterstadt und verlebte hier die schönsten Jahre
seines Lebens. Eine hohe Gönnerin wurde ihm
die Kurprinzessin, nachmalige Kurfürstin Auguste.
Selbst Künstlerin, lernte sie Henschel, auf den
sie durch den Maler Bury aufmerksam gemacht
worden war, in seinen sinnigen Werken schätzen.
Sie ließ durch ihn die Büsten ihrer drei Kinder
Karoline, Friedrich Wilhelm und Marie aus
führen. Diesen Kunstwerken wird ebenso sehr
vollendete Technik, wie sprechende Aehnlichkeit
nachgerühmt. Von der Kurprinzessin Auguste
von Hessen im Verein mit ihrer Schwester
Marie, der Königin von Holland, wurde Henschel
eine künstlerische Ausgabe gestellt, bei deren
Lösung er die ganze Innigkeit seines gefühlvollen
Wesens zur schönsten Darstellung bringen konnte.
Es geschah dies in der lebensgroßen Figuren
gruppe, einer halb knieenden Caritas, welche
zwei Kinder an sich drückt. Hier ist dem seligen
Muttergefühle und der zärtlichen Kindesliebe
ein wunderbar befriedigender Ausdruck verliehen
und der edle Stil erinnert unwillkürlich an die
Antike. Die Figur der Mutter mit etwas
geneigtem Haupte ist in faltige Gewandungen
eines anschließenden Kleides und eines Mantels
züchtig gehüllt, während die beiden Kinder
unbekleidet von den Armen der Mütter mit
dem Ausdrucke der reinsten natürlichsten Unschuld
herablächcln. Die Vollendung dieses schönen
Kunstwerkes fällt in das Jahr 1818.
Am 10. Juli 1818 wurde Henschel zum
Mitglicde der Akademie der bildenden Künste
in Kassel ernannt. Hierin lag für ihn ebenso
sehr eine Anerkennung seines Werthes als Künstler,
gleichwie ein Antrieb zu neuen künstlerischen
Produktionen. Und diese sollten nicht ausbleiben.
In jener Zeit fertigte er die Büsten des Malers
Bury und des Göttinger Professors Lichtenbcrg
an. Der im Jahre 1825 erfolgte Tod des be-
rühmteir Baumeisters Jussow veranlaßte Henschel,
die trauernde Kunst, durch eine auf einer abge
brochenen Säule sitzende männliche Figur dar
gestellt , zu modelliren, als ein Denkmal für
jenen Mann, welcher einst an der Kasseler
Akademie sein Lehrer gewesen war, dem Hessen
so viele bedeutende Bauten verdankte. Wir
übergehen hier die kleineren Kunstwerke Henschel's
aus jener Zeit und wollen nur noch anführen,
daß die Anwesenheit der fast nur aus Löwen
verschiedenen Geschlechts und Alters bestehenden
Menagerie van Aken's in Kassel ihn dazu
anregte, dieses edle Thier in verschiedenen
Situationen zu studieren und darzustellen. Hier
durch entstanden verschiedene Löwengruppen,
darunter eine Reliefgruppe kleiner in Kassel zur
Welt gekommenen Löwen, sowie ein liegender junger
Tiger.
Der kunstliebende Kurfürst Wilhelm II. über
trug Henschel die Ausführung eines Grabmals
für seinen am 15. Januar 1822 verstorbenen
Sohn, den jungen Grafen Julius Wilhelm
Albert von Reichenbach, eine Aufgabe, die einen
reichen Gegenstand seiner Phantasie bot und die
er in glänzender Weise loste. Ein die Gruft
schließender Sarkophag aus weißem Marmor
ist mit einem Relief von Henschel's Komposition
geschmückt, auf dem ein knieender Engel einen
Knaben, welcher die Seele des Verstorbenen vor
stellen soll, in seinen Schovß aufnimmt. Dieses
Denkmal gehört zu den schönsten Zierden des
älteren Kasseler Todtenhofes.
(Fortsetzung folgt.)