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er ihre Worte kaum zu fasse», welche doch be
sagten, daß eine Leiche sich auf der Burg befinde.
„Mein Vater — ? Meine Mutter — ?", stammelte
er endlich. „Euer Vater ist heimgegangen, als
er die Kunde von Eurem Unglück erhielt —."
Der junge Ritter lehnte sich an die Wand,
so hatte ihn dieser neue Schlag erschüttert, bald
aber erholte er sich wieder, und mit klangloser
Stimme sagte er: „Da mein Vater nicht mehr
ist, so fällt der schmachvolle Tod mir leichter —
„Aber Ihr müßt leben um Eurer Mutter, um
— meinetwillen!", rief Dame Mathilde in höchster
Seeleuangst, und Friedrich blickte in ein erglühendes
Antlitz, das ihm noch nie so schön vorgekommen
war als eben jetzt, wo sein Auge zum letzten
Male auf diesen holden Zügen ruhen sollte.
„Mathilde," flüsterte er, von Neuem ihre Hand
ergreifend, „ist es möglich, daß Ihr den mit
Eurer Liebe beglücken könnt, über dessen Haupt
ein schimpfliches Todesurtheil gesprochen ist?"
„FühltIhr denn nicht," erwiderte das Edelfräulein
mahnend, „daß es die Hand Gottes ist, welche
Euch dem Feinde überliefert hat, auf daß Ihr
von Euren bösen Gedanken und Thaten lassen
und das Menschenthum auch in Bürger und
Bauer anerkennen sollt? Sowie Ihr dies erkennt,
wendet der vermeintliche Schimpf sich Euch zur
Ehre, und Ihr könnt Eurem untadeligen Wappen
schild noch ein Zeichen hinzufügen, das leuchtender
ist als alle die andern, welche er schon trügt,
den Stern der Menschlichkeit!" Lange schritt der
Ritter nachsinnend in der Zelle auf und ab,
Dame Mathilde aber hatte dieselbe verlassen
und harrte im Rathhaussaale auf den Ausgang
des Kampfes, den Friedrich nun in seinem Innern
mit sich aussechten mußte. Endlich war dies
nach manchem schweren Athemzug geschehen, und,
vor dem Bürgermeister und dem versammelten
Rathe stehend, redete Friedrich von Battenberg
also zu denselben: „Ist es Sache, daß Ihr mich
tödtet, so habt ihr eine ewige Feindschaft mit
meinen Freunden, laßtJhr aber Solches sein, so will
ich Euch einen Frieden machen, daß bei fünf Meilen
um die Stadt Niemand Euch einigen Schaden
thun soll, so lange ich das Leben habe." Ein
aus dem Herzen kommender Blick Mathildens,
welcher Zeise Weiner einen Ehrenplatz eingeräumt
hatte, lohnte ihn für diese Worte. Die versam
melten Väter der Stadt aber berathschlagten sich
und gaben, nach Gutbefindcn, die Antwort:
Wann der Ritter diese seine Zusage fest ver
bürgen, treulich halten und genügsamen schrift
lichen, versiegelten Schein ertheilen wollte, solle
ihm hiermit das Leben geschenket sein, verwahrlich
aber müsse er gehalten werden, bis daß der Brief
den Erzbischöfen zu Köln und zu Mainz, den
Grafen von Ziegenhain, von Nassau, Katzenelln-
bvgen, Solms und Waldeck und andern Edel
leuten übergeben, von diesen unterschrieben und
dadurch die Feindschaften der Gesellen von der
alten Minne aufgehoben würden. — Friedrich, den
Mathildens Gegenwart und ihr Anblick gar
wundersam trösteten und erquickten, fügte sich
willig in die ihm gestellten Bedingungen, und
Dame Mathilde konnte mit weit ruhigerem
Herzen, als sic gekommen, zum Trost der
Frau Elsbeth nach der Edderburg zurückkehren.
Herr Zeise Weiner, der die für Frankenberg so
wichtige Sache thatkräftig in die Hand nahm, be
schleunigte aber die nothwendigen Botschaften der
maßen, daß die Haft des Ritters nur noch etliche
Wochen dauerte. Die vorgenannten Grafen und
Herren machten ihre Kreuzlein unter das ihnen
vorgelegte Pergament, denn um einen der ihren
aus solch' schlimmem Handel zu helfen, mußten
sie schon gute'Miene zum bösen Spiel machen.
Als nun Alles in Ordnung war, ließ der Bürger
meister den Ritter Friedrich feierlich aus seiner
Haft abholen und in den großen Rathhaussaal
führen, wo er ihm vor versammeltem Rath und
der Bürgerschaft seine Freiheit sowie die ihm ab
genommene Rüstung auf Grund des ausgestellten
Dokumentes wiedergab. Dann aber fuhr er
fort: „Da nunmehr der Ritter Friedrich von
Battenberg, das Haupt seines freihcrrlichen
Stammes, mit den Bürgern der Stadt Franken
berg einen Bund geschlossen und jegliche Fehde
gegen dieselbe niedergelegt hat, also daß er nicht
mehr zu den Gesellen von der alten Minne zu
zählen ist, so können wir uns von diesem hoch
mögenden Freiherrn fortan nur Gutes versehen,
und aus dieser Ursache biete ich demselbigen im
Namen der Stadt Frankenberg an, deren Amt
mann zu werden, da wir uns keinem besseren
und edleren Herrn anvertrauen können." Zu
erst wußte Herr Friedrich eigentlich nicht, was
er dazu sagen sollte. Als er sich die Sache in
dessen überlegt, nahm er die ihm angetragene
gar wichtige Ehrenstelle an, und so wurde er, dem
die Frankenberger schon einen besonderen Galgen
gezimmert hatten, jetzt deren Amtmann. Trotz
dem Herr Boppo noch nicht lange dahingeschieden
war, herrschte ans der alten Beste an der Edder
doch großer Jubel, als der Ritter Friedrich stolz
wie vordem in derselben einritt, und Frau Els
beth mit Dame Mathilde ihm freudig bewegt
entgegen eilten. Stolz war und blieb Herr
Friedrich zwar von außen, innen aber war er
durch sein Unglück demüthig geworden und hielt
von nun an, wie er es als ein getreuer Amt
mann mußte, Bürger und Bauer auch für Menschen.
Ob wohl hernach die alte Minne den Krieg
wiederum anfing, so hielten ihre Gesellen doch,
wie die Chroniken bekunden, der Stadt Franken