266
Nacht verdächtigen Laternenschein auf dem Friedhofe
wahrgenommen, war auch hinausgecilt und hatte
das Grab offen gefunden, aber die Attentäter waren
bereits verschwunden, und nicht einmal die Richtung
konnte festgestellt weiden, welche sie genommen.
Doch der Vcrrälhcr schlief nicht. Sofort wurde
die israelitische Gemeinde von dem Vorfall in Kennt
niß gesetzt und Borsche als Hauptthäler bezeichnet.
Kaum war der Morgen des folgenden Tages
angebrochen, als die Glaubcnsgenossenschaft des
Verblichenen dem Borsche vor das Haus rückte
und ihn in permanenten Belagerungszustand erklärte.
Der Attentäter hatte jedoch Gelegenheit gehabt, die
Leiche aus dem Apfellager zu entfernen; er steckte sie
in den Strohsack seines Bettes und legte sich drei
Tage und drei Nächte als simulirender Kranker auf
dieselbe, die doch schon länger als eine Woche im
Grabe sich befunden hatte!! Als der Kreis der Be
lagerer ermüdet war, genas Borsche wieder, die Leiche
wurde präparirt, und da das monströse Skelett nach
solchen Vorgängen selbstverständlich keinen Platz in dem
anatomischen Kabinet des Fuldaer Landkrankenhauses
finden konnte, so wurde es nach Würzburg gebracht,
wo es heute noch das berühmte dortige anatomische
Museum zieren soll. Zwar hatte die israelitische Ge
meinde wegen des Vorfalles, welchen sie als Sakrileg
betrachtete, bei den damaligen französischen Behörden
Beschwerde geführt, doch ist nichts davon bekannt,
daß dieselbe irgend welchen Erfolg gehabt hätte. Es
war eben die Zeit der UeLurreetion-inen, und ein
bischen Leicheneinheimsung zu wissenschaftlichen Zwecken
wurde gerade nicht als eine fluchwürdige Frevelthal
angesehen. Item, es war ein fait accompli, und
man drückte die Augen zu. Der praktische Arzt Dr.
Joseph Schneider unternahm es, das von Borsche
unter der Leitung des Professors Dr. Adelmann prä-
parirte Skelett nach Hanau zu bringen, wo es ein
Abgesandter von Würzburg in Empfang nahm. Dr.
Schneider hat uns oft noch in späteren Jahren zu
Horas mit vielem Humor von dieser Reise erzählt.
Er machte dieselbe nach damaliger Sitte zu Pferd;
das Skelett war in den Mantelsack verpackt. In
Gelnhausen hielt er in dem Gasthofe zur Post, dem
gewöhnlichen Absteigequartier der Fuldaer, auf einige
Stunden Rast. Dort traf er zufällig den jüngeren
Bruder des Isaak Bunfeid, den s. g. Bonum's Löb,
der es sich nicht nehmen ließ, dem Dr. Schneider
bei desien Weiterreise nach Hanau behilflich zu sein
und den Mantelsack auf das Pferd zu schnallen. Der
eigene Bruder des Isaak Bunfeid hatte sich also,
wenn freilich auch vollständig unbewußt, der Mit
schuld an der Fortschaffung der Leiche theilhaftig
gemacht. — K. A.
Au dem Artikel --Hessische Zeitungen".
Von unserem hochgeschätzten hessischen Landsmanne
Herrn Dr. Julius Rodenberg in Berlin ist
uns folgende Zuschrift zur Veröffentlichung zugegangen:
Erlauben Sie mir zu dem interesianteu Aufsatz
des Herrn I. Nebelthau über »Hessische
Zeitungen" (im „Hessenland" Nr. 17, S. 228 ff.)
nachstehende Bemerkung.
Unter den verloren gegangenen hessischen Zeitungen
wird, mit Betufung auf mein jüngst veröffent
lichtes Buch über Franz Dingelstedt, „eine in
Fulda erscheinende ^Abendzeitung' erwähnt, für
welche er Beiträge liefere." Dies ist ein Irrthum,
den ich zu berichtigen bitte. Die Zeitung — ein
belletristisches Journal vielmehr —, um die cs sich
hier handelt, ist keine hessische, sondern eine sächsische,
nicht in Fulda kam sie heraus, sondern in Dresden;
es ist, mit einem Wort, die von Theodor Hell
redigirte „Abendzeitung" gemeint, welche, in den
Jahren ihres Bestehens, von 1817—1843, ein nicht
unwichtiges Organ für die literarischen Bestrebungen
jener Zeit war.
Aus Aeimath und Fremde-
Ihre Majestät die K a i s e r i n A u g u st e Viktoria,
welche mit ihren drei ältesten Söhnen, dem K r o n p r i n z e n
Friedrich Wilhelm, dem Prinzen Eitel Fritz
und dem Prinzen Adalbert, seit Donnerstag den
17. September zu Schloß Wilhelmshöhe weilte, hat
am Mittwoch den 30. September sich mit ihren
Söhnen wieder nach dem neuen Palais bei Potsdam
zurückbegeben. Am Sonnabend den 19. September
erhielt sie den Besuch Sr. Majestät des Kaisers,
der bis zum Montag den 21. September auf Schloß
Wilhelmshöhe verblieb. Die Kaiserin unternahm
fast täglich mit den Prinzen Ausfahrten und Spazier
gänge in die Umgegend, auch Kassel besuchte sie
wiederholt, so noch am Dienstag Nachmittag, bei
welcher Gelegenheit sie die Gemäldegallerie besichtigte
und sich längere Zeit daselbst aufhielt.
Wie das „Kasseler Tageblatt" meldet, ist dem
größeren zur Errichtung eines Denkmals für den
Landgrafen Philipp den Großmüthigen
niedergesetzten Geschäftsausschusse in diesen Tagen
die erforderliche landesherrliche Genehmigung zur
Errichtung des Standbildes zugegangen. Die Samm
lung von Beiträgen zu diesem Zwecke steht hiernach
in nächster Zeit zu erwarten, und unterliegt es wohl
keinem Zweifel, daß die Theilnahme an derselben
im ganzen Hessenlande eine reichliche sein wird.
Gelegentlich der Manöver des XI. und IV. Armee
korps hat der Kaiser u. a. zwei alten, außer Dienst
befindlichen Generallieutenants, die früher als Offiziere