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Naience- unh Horzellanfabriken in WDasfel.
Von Professor Dr. A. von Dr ach.
(Schluß.)
Um die Vorräthe an fertigen Waaren zu Geld
zu machen, wurde folgender Vorschlag von der
Rentkammer unter dem 2. März 1787 an
genommen : „daß die Vorröthe noch ausgearbeitet,
und dem Verwalter hierzu eine Zeit von zwei
bis drei Monat bestimmt, hierzu auch die er
forderlichen 400 Thaler oder was bis dahin zur
Bezahlung des Arbeitslohns noch weiter er
forderlich sein sollte, ex Cassa gnädigst vor
geschossen, diese Vorschüsse aber aus dem fertigen
Porcellain und zwar auf die Art, daß denen
recipirt werdenden Juden, dessen vor 50, 100
und mehr Thaler bei Erlangung des Schutzes
abzunehmen eingebunden würde, wieder ersetzt
werden". Im Oktober 1787 wurden zwei von
den Porzellanfabrikgebäuden vor dem Weisensteiner
Thor geräumt (das Haus in der Schüsergasse
war schon 1786 auf Abbruch verkauft worden)
und die daselbst befindlichen Vorräthe in die
„Arcadenboutiquen" gebracht, um daselbst der
vorher mitgetheilten Bestimmung gemäß zu Geld
gemacht zu werden. Aus einem Bericht des
mehrerwähnten Verwalters Schultze geht hervor,
daß dieser Zwangskauf ziemlich flott gegangen
sein muß, sowie daß vor der gänzlichen Einstellung
der Fabrikation immer noch kleinere Geldzuschüsse
nöthig wurden. Er schreibt am 11. August 1788
an die Kriegs- und Domainenkammer:
„Da außer denen 1570 Rthlr. Poreellain-
Waaren so die Schutzjüden bereits erhalten, nun
wieder vor 7000 Rthlr. dergleichen in Portionen,
jede zu 50 Thlr. in Ordnung gestellt habe und
mit dem übrigen Vorrath, um solchen auch in
dergleichen zu setzen vielleicht in drei Wochen
fertig zu werden hoffe.
So habe hochfürstl. Kriegs- und Domainen-
Cammer solches und zugleich unterthänig berichten
wollen, wie daß ich denen 2 Arbeitern von 10
Wochen ihren Lohn schuldig bin'), auch den Stein,
weil der Brenner Liese abgegangen, bis zu
völliger Fertigwerdung beybehalten und zu be
zahlen, hierzu aber keine Einnahme habe.
') Für den Transport des Porzellans aus der Fabrik
in die Arcadenboutiquen.
So habe hochdieselbe um einen Vorschuß hier
zu von 70 Rthlr. in derjenigen Devotion bitten
wollen, mit welcher erstirbet
hochfürstl. Kriegs- und Domainen-Cammer
unterthänigster Henr. Jac. Schulz".
Mit dem Jahre 1788 hörte somit nach zwanzig
jährigem Betrieb die „Feine Porzellanfabrik
zu Kassel auf, ohne jemals dahin gekommen zll
sein, ohne Zuschuß der Landgrafen, sondern
vom eigenen Ertrag, ihre Unkosten bestritten zu
haben.
Die beiden SchwesternanstaUen, die „Gelbe
Steinfaiencefabrik" und die „Vasenfabrik" über
lebten sie; auf das vorher erwähnte Ausgebot
derselben zur Pachtung fanden sich dafür quali-
fizirte Personen in dem schon erwähnten Modelleur
Friedr. Christian Hillebrecht, sowie
dem um beide Etablissements so verdienten Hof
konditor Steitz. Der erstere erhielt am.L8.
März 1788 ein Privilegium auf 10 Jahre, und
zwar wurden ihm die nöthigen Gebäude'), sowie
der Betrieb für die ersten drei Jahre frei, für
die folgenden drei für 25 Thlr., für die vier
letzten zu 50 Thlr. Miethe überlassen; ausdrück
lich verboten war es ihm, Gegenstände aus dnrch-
aus gefärbter Masse, wie es die Steitz'schen
Fabrikate waren, herzustellen; seine Waaren sollten
an geeigneten Stellen mit dem hessischen Löwen
gestempelt sein?) Hillebrecht scheint seinen Ver-
') In der 1778 erschienenen .Erdbeschreibung der
hessischen Lande Casselischen Antheils" von Regnerus
Engelhard sind (S. 129 und 130) folgende Angaben über
die Fabrikanlage vor dem Weißensteiner Thor: Unter der
jetzigen glorreichen Regierung aber wurde in dieser Gegend
nicht nur erstlich eine Backsteinbrennerey mit einem dazu
dienlichen langen Gebäude angelegt; Sondern auch ferner
ein ansehnliches HauS zum Behufe der Porcellanfabrik
erbauet, unter welchem sich eine künstliche Porcellanmühle
befindet. Nachher sind noch mehrere Häuser dazu gekom-
men, welche den dabey angelegten Fabriken von Fayence
oder sogenanntem Steinporcellane und irdenen Gesäßen
zum Gebrauche, theils aber auch zu Wohnungen dienen.
2) Derart signirte Steingutwaaren sind bis jetzt noch
nicht zu unserer Kenntniß gelangt; vermuthlich wird Hille-
brecht, der in anderen Punkten seinen Kontrakt auch nicht
einhielt, es unterlassen haben, seine mitunter recht geringen
Waaren zu kennzeichnen.