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Hafteste bekannt ist, tritt mit den ^Strom-
schnellen^ zum ersten Male mit einem größeren
Werk an die Öffentlichkeit. Der drei starke Bände
umfassende Roman führt uns mitten in das gesell
schaftliche Leben und Treiben der Gegenwart, welches
der Verfasser mit großer Virtuosität zu schildern
versteht.
In der poetischen Einleitung vergleicht Freder-
king das menschliche Leben mit einem Strom, der
Anfangs lustig rauschend fürbaß hüpft, bis er sich
endlich in breiteren Bahnen in die Au'n ergießt,
schon hofft man auf seinen baldigen Nutzen, da
thürmt sich ihm plötzlich ein mächtiges Felsriff quer
in den Weg und ungestüm brausend, brodelnd und
zischend drängen sich nun die Wasser an diesem vor
bei und darüber hinweg.
„Stromschnellen heißet man die wilden Strudel —
Jedwedem Schifflein bringen sie Gefahren —
Und manchem Strom zersplittern seine Kräfte
Unfruchtbar bis zur Mündung lauter Schnellen." —
Von den meisten Strömen aber werden sie sieg
reich überwunden und das trotzige Entgegenstemmen
der Felsenriffe kann die wohlthätige Macht, welche
den Ufcrgauen Nutzen bringen soll, nur für Augen
blicke ihrer. Bestimmung entziehen.
„Vergleicht nun mit dem Strom des Menschen
Dasein,
Vielleicht das ganze Werk, an dem er schaffet,
Die Ufergaue mit der Allgemeinheit,
So werdet Ihr das Gleichniß treffend finden,
Und werdet auch aus diesem Buch erkennen
Stromschnellen in dem Treiben meiner Menschen !“
Der Held des Romans ist Odo Flying, oder,
wie sein eigentlicher Name lautet, Bodo Hartmann,
welcher wegen eines Knabenstreichs von seinem
Vater, dem Werkführer einer großen Maschinenfabrik,
verstoßen, nach Amerika und Afrika ausgewandert
ist und als ein „ganzer Mann" nach zwanzig Jah
ren in die Heimath zurückkehrt, um unerkannt die
Liebe und Achtung des alten, starren Vaters wieder
zu erringen. Als Odo Flying hat er das Herz des
Vaters zwar Schritt für Schritt erobert, aber er zweifelt
noch immer daran, daß er auch als Bodo Hartmann
vor den strengen Grundsätzen des alten Mannes be
stehen werde, da rettet er bei einem Brand mit
eigener Lebensgefahr die Mutter und den Bruder
des jungen Mädchens, welches seine Liebe gewonnen;
sein wahrer Name wird entdeckt, da er, schwer ver
letzt, zwischen Leben und Tod schwebt und die Aus
söhnung erfolgt. Die Schilderung des brennenden
Hauses und die Rettung der Frau Zahn und ihres
Söhnchens auf der schwanken, über den Mühl
graben gelegten Leiter, wird viele Leser an einen
gegen Ende der sechsziger Jahre in Kassel statt-
gefundenen Brand erinnern, wenn auch manche Um
stände damals anders waren. Versteht es der Ver
fasser, die äußerlichen Vorgänge in den lebhaftesten
Farben zu malen, so bringt er andererseits mit eben
so großer Anschaulichkeit das Gefühlsleben zur Gel
tung; in dieser Hinsicht sei auf die Scenen
zwischen Mutter und Sohn hingewiesen, wo das
Mutterherz die Nähe seines Lieblings ahnt und
dieser sich doch nicht an dasselbe werfen kann, denn
„Wie's auch das Eine zum Anderen trieb,
Sie durften nicht zu einund'".
Neben Bodo Hartmann nimmt das besondere
Interesse der Forstassessor Malsfeld und sein Werben
um die „Nixe von Erhardshöh “, die Tochter eines
reichen Maschinenfabrikbesitzers, in Anspruch. In
Pikanter Weise wird das Widerspiel zweier ebenso
geistvollen, wie trotzigen Menschen nuancirt, bis
endlich der höchst charakteristisch gezeichnete „wilde
Jäger" den Sieg über die launenhafte, emanzipations
lustige junge Millionärin davon trägt. Um die sich
findenden Paare, Bodo Hartmann und Bertha Zahn,
Malsfeld und Eugenik Erhard , gruppiren sich noch
eine Menge episodischer lebenswahrer Gestalten, von
welchen in erster Linie der Husaren-Lieutenant von Ecken
warth, mit dem Beinamen „der heilige Erasmus", der
Forstassessor Oellerhop und Tante Wiese genannt seien.
Der Verfasser ist in den feinen gesellschaftlichen
Kreisen ebenso zu Hause, wie im frischen grünen
Wald und in der Arbeiterwelt, denn auch in diese wird
der Leser bei dem umfassenden Stoff des Romans
eingeführt, da Bodo Hartmann als Antisocialist eine
erfolgreiche Thätigkeit entwickelt. Von den Zeit
fragen wird ferner noch die Kolonialpolitik behandelt
und für dieselbe mit Begeisterung eingetreten.
Durch den reichen Inhalt, das Fesselnde der Er
zählungsart, die elegante Sprache werden die „Strom-
schnellen" , welche in einer der bedeutendsten Ver
lagsbuchhandlungen Deutschlands (Otto Janke) er
schienen sind, bei dem Publikum die beste Aufnahme
finden und den Namen unseres Landsmanns allgemein
bekannt und beliebt machen. W. W.
Briefkasten.
F. G. Kassel. Aufnahme kann erst in einer der nächsten
Nummern erfolgen. Besten Dank.
R. R. Borken. Kam sehr erwünscht. Sie erhalten
Korrekturabzug.
G. M. Leipzig. Findet in nächster Nummer Platz. Die
Besprechung mußten wir ebenfalls für die nächste Nummer
zurückstellen. Freundlichsten Gruß.
0. K. Bergen. Wir werden Ihnen brieflich antworten.
L. M. Eschwege. Warum so schweigsam?
Herausgeber und verantwortlicher Redakteur: F. Zwenger in Fulda, Druck und Verlag von Friedr. Scheel in Kassel.