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Aus Heimach und Fremde.
AusJulius Rodenberg's „Franz Dingel
stedt: Blätter aus seinem Nachlaßt III. Wien
(1867—1881). Der Einzug Dingelstedt's in Wien
war von guten Auspizien begleitet. Zunächst Direktor
des Hofoperntheaters wurde er nach dem Rücktritte
des Barons von Münch-Vellinghausen (Friedrich
Halm) von der Generalintendantur im Jahre 1870
auch zum Direktor des Burgtheaters ernannt und zu
gleich als k. k. Hofrath in den österreichischen Adels
stand erhoben. Hier, in der Burg, stand Dingelstedt
endlich auf dem ihm gemäßen Boden, und die Jahre,
während welcher er dieses Institut, wie das Oesterreich
selber „an Siegen und an Ehren reiche, geleitet,
werden nicht vergessen werden. Vornehmlich ist es
die nach jahrelanger Vorbereitung erfolgte Gesammt-
aufführung der schon in Weimar versuchten Königs
dramen, aber mit all' den Mitteln des Wiener
Burgtheaters, die berühmte „Shakespeare-Woche“,
vom 23. April, dem Geburtstage des großen Briten,
bis zum 29. April 1875, welche gewissermaßen den
Höhepunkt seiner schöpferischen Thätigkeit auf diesem
Gebiete bezeichnet, wie er sie dann selber wohl
„eine ganze Schöpfungswoche“ nennen mochte. Noch
in demselben Jahre wurde Dingelstedt General-Direktor
beider Wiener Hoftheater, der Hofoper und des Burg
theaters, und 1876 wurde er vom Kaiser von
Oesterreich in den erblichen Freiherrnstand erhoben,
mit den beiden Rosen, der rothen und der weißen,
in seinem Wappen. Das Wappen zeigt einen Schild,
quer durckzogen von einem goldenen, mit drei ver
schlungenen Dornenkronen belegten Balken. Oben
im silbernen Felde eine rothe und unten im blauen
Felde eine silberne Rose, jede golden besamt und
grün bespitzt. Auf dem Hauptfelde des Schildes ruht
die Freiherrnkrone mit einem darauf ins Visier ge
stellten gekrönten Turnierhelm, welchen blaue, mit
Silber unterlegte Decken umgeben. Aus der Helm
krone erblühen drei natürliche Rosen auf blättrigen
Stengeln, und zwar eine weiße zwischen zwei rothen.
Als Schildhalter sind zwei gegengekehrte silberne
Pegasus auf einer aus braunen Dornen lose ge
flochtenen Staffel angebracht, über welche sich ein
weißes Band mit der Devise „Leine Losen ohne
Dornen“ in goldener Lapidarschrift zieht. — Das
Diplom trägt die eigenhändige Unterschrift des Kaisers
und Königs Franz Joseph II. und das Verleihungs
dekret wurde in der amtlichen „Wiener Zeitung“
am 17. Februar 1876 veröffentlicht, dem Tage, an
welchem das hundertjährige Jubiläum des Hofburg
theaters gefeiert wurde.
Hiermit war die Summe seiner Ehren erschöpft.
Es war ein weiter Weg von dem kleinen Haus in
der Ritterstraße zu Rinteln bis hierher, aber ruhmvoll
hat Dingelstedt ihn zurückgelegt, und Alles, auch das frei-
herrlicheWapPen und Wappenschmuck, sich selbst verdient.
In Wien verstummte Dingelstedt's Muse keines
wegs. Noch manche Spätblüthe drängte sich an's
Licht, keine schöner darunter, als das Gedicht an
Anastasius Grün, den Vielverehrten und schon früh
von ihm Besungenen*), der ihm einst, für seine
„Spaziergänge eines Kasseler Poeten“, das Vorbild
und den Rhythmus gegeben. Geschrieben zu des
Dichters siebzigstem Geburtstage, 11. April 1876,
ist Dingelstedt's Glückwunsch nur wenig bekannt ge
worden. Julius Rodenberg veröffentlicht denselben,
und wir können es nun nicht versagen, ihn hier
wiederzugeben, ist er doch von echt Dingelstedt'schem
Geiste durchweht und erinnert er doch lebhaft an
ähnliche Gedichte, welche der Dichter in seiner poetischen
Glanzperiode geschaffen. Hier ist das Gedicht:
Franz Dingelstedt an Anastasius Grün.
Du hast's erreicht, Octavio, —
Ein Fest, gefeiert und bewundert;
Die böse Siebenzig entfloh,
Nun geht es auf die runden Hundert.
Und doch, bei allem Lob und Preis,
Die Du verdammt bist, heut' zu lesen,
Gedenkst Du wohl, und seufzest leis',
Der Zeiten, da wir jung gewesen.
Jungöstreich, Jungdeutschland dort,
Frühling im Osten und im Norden;
Noch klingt die Freiheitshymme fort
In sanft verhallenden Accorden!
Du stimmtest als Chorag sie an
Und bist auf Helle Feindeshaufen,
Trotz Polizei, Censur und Bann,
Spazierengehend Sturm gelaufen.
Anch io! Ich that gleichfalls mit!
Mit Horn und Spieß und Blendlaterne
Ging ich Dir nach, auf Schritt und Tritt,
Bescheidentlich, in dunkler Ferne.
Und um uns, welche muntre Schar
Polit'scher Sänger aller Farben!
Wer zählt, die seitdem, Jahr für Jahr
Wegstarben oder ach! verdarben?!
Sie sind verstummt. So auch wir zwei,
Ist doch erreicht, wonach wir strebten!
Deutschland ward einig, Oestreich frei;
Wohl Allen, die den Sieg erlebten!
Dein Lenz erwuchs zur Excellenz;
Du hast dem Staat zu Nutz und Frommen,
Ein Meister höchster Eloquenz,
Im Herrenhause Sitz genommen.
Drin führtest Du manch' tapfren Streich
Als Simson wider die Philister;
Wenn Du nur möchtest, wärst Du gleich
— Du warst es dann schon lang — Minister.
*) „Dich im Munde, Dich im Herzen, edler Anastasius!"
Auf dem Kalenberge. An Anastasius Grün. (1842).