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nur Kurprinz Wilhelm seit dem 30. Oktober
sich dort befand und harrte nun von Tag zu
Tage auf die Ankunft des Kurfürsten, da dessen
Sohn ohne irgend welche Vollmacht zum Han
deln sich befand. Der Kurfürst hatte ihm eine
solche übrigens gar nicht ertheilen können, da
seine Wiedereinsetzung mehrere Wochen fraglich
war, weil im preußischen Lager viele Stimmen
Hessen als herrenloses Land für Preußen for
derten — obwohl der Fürst bereits am 21. No
vember in Kassel seinen feierlichen Einzug hielt,
waren die Hindernisse doch erst bis zum 12. De
zember aus dem Wege geräumt, so daß er an
diesem Tage durch eine Verkündigung an sein
Volk die Regierung von Neuem antreten konnte.
Bardeleben rühmte seiner Gattin, wie gnädig
er von dem alten Landesfürsten sowohl als von
dessen Nachfolger empfangen sei, am 30. No
vember war „sein Schicksal entschieden", was in
jener Zeit der Herstellung des alten Staates
für Viele grausame Enttäuschung bedeutete. In
scherzhafter Weise theilte er der Gefährtin am
1. Dezember mit „ich muß den Oberstlieutenant
daran geben, da ich das aber nicht im Schlafe
geworden bin, so reise ich morgen ab"; dann
klärte er sie darüber auf, er war zum Major
in dem Regimente Landgraf Karl ernannt wor
den, welches in Hersfeld hergestellt werden sollte,
hatte also seinen Rang behalten, obwohl er im
Jahre 1806 noch Sekondlieutenant gewesen war.
Er setzt noch hinzu: „ich bin einer der wenigen
Glücklichen, welche in ihrem Grade blieben", der
Kurfürst hatte des ihm ergebenen Offiziers Ge-
löbniß vom Februar 1807 in Rendsburg im
Gedächtniß bewahrt.
Wilhelm I. knüpfte seine Herrschaft an den
1. November 1806 an, wollte zumal in dem mit
äußerster Anstrengung aufzubringenden hessischen
Heere Alles einrichten wie es damals gewesen,
was kriegserfahrene Männer wie unser Barde
leben seufzend sahen. Zum Glücke hatte der
Kurprinz die Einsicht gewonnen, daß das höchst
nachtheilig sei und vermochte wesentlich ein
zuwirken, da ihm die Neubildung des Heeres
anvertraut wurde. „Der Kurprinz macht sich
sehr verdient, er benimmt sich ganz vortrefflich
bei der Organisation, alle Tändeleien werden
vermieden, die Uniform ist ganz wie die preußische,
der Kompagniechef erhält monatlich 120 Thlr."
Meldet B. in glücklichster Stimmung darüber,
daß er nun wieder Hesse ist. Nur das Wieder
sehen der Seinigen fehlt ihm noch, sehnsüchtig,
zärtlich bittet er Konradine, ihn zu besuchen, da
die Truppen Ende Januar bereits zu Felde
ziehen sollten. —
(Fortsetzung folgt.)
Kpisoöen aus öer Geschichte öe§ Kauernkrieges in den
Miftslanöen von Uulöa und Kersfelö.
Mitgetheilt von 3T- Iw eng er.
(Fortsetzung.)
Als Ergänzung der Eegenbaur'schen Schil
derung der Vorgänge im Bauernkriege in der
Woche nach Ostern um und in Fulda lassen
wir nachstehend die Darstellung Dr. Falcken-
heiner's in seiner Schrift „Philipp der Groß
müthige im Bauernkriege" ihrem wesentlichsten
Inhalte nach folgen.
In den Osterfeiertagen 1525 erhob sich der Sturm
in den Stiftslanden von Fulda. Ueber den
Beginn . ist uns nichts Sicheres überliefert.
Wir wissen nur, daß die Hammelburger jenseits
des Rhöngebirges die ersten Unterthanen des
Hochstistes waren, welche sich am Aufruhr be
theiligten und die Bewegung nach der Haupt
stadt lenkten. Daß Müntzer selbst auf seiner
Rückkehr von Süddeutschland einige Tage in
Fulda verweilt und aufrührerische Reden daselbst
gehalten habe, wie der Allstedter Schosser
Hans Zeis in einem Briefe au Spalatin am
22. Februar berichtet, ist mindestens zu be
zweifeln , da die Fuldaischen Quellen dieses
Ereigniß mit keinem Worte erwähnen. In
welcher Weise die Zusammenrottung auch statt
gefunden haben mag, sicher ist, daß am Abend
des zweiten Ostertages, den 17. April 1525,
einige tausend Rebellen bereits in der Nähe von
Fulda lagerten. Einer gewaltsamen Einnahme
der Stadt bedurfte es nicht, da, wie anderwärts
auch, die niedere Bürgerschaft offen mit den
Empörern sympathisirte und es zu einem Ein
greifen der Obrigkeit nicht kommen ließ. Am
18. April wurden die Thore freiwillig geöffnet
und die Bauern, welche stündlich aus den um
liegenden Dorfschaften Zulauf erhielten, machten
sich zu Herren der Stadt und besetzten alle Ein
und Ausgänge. Am Morgen desselben Tages
hatte sich der Koadjutor Johann III., Graf von
Henneberg, mit nur wenigen Begleitern, wie er