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hat sich gegen meine Definition auch eine lebhafte
Opposition erhoben. Ein gewisser Wächter in
Leipzig nennt dieselbe sogar ein „juristisches
Amphibium." Nun, meine Herren, der Mann
versteht mich nicht. Ich werde Ihnen meine
Begründung nochmals vorführen." Büchel gab
nun nochmals eine Erläuterung seiner Definition,
nach deren Beendigung er sich in entrüstetem
Tone an seinen Gegner, den er als anwesend
unterstellte, mit den Worten wandte: „Und das
nennen Sie ein Amphibium, Herr Wächter? Ich
kann Ihnen nur erwidern: „Mit nickten, Herr
Geheime Rath!" Hierauf fragte er seine Schüler:
„Meine Herren, ist Ihnen etwas unklar geblieben
an meiner Definition?" Selbstverständlich wurde
diese Frage mit Entrüstung verneint, was Büchel
zu der Aeußerung veranlaßte: „Nun- das meine
ich denn auch, es ist so klar wie Klösebrühe!
Ich weiß nicht, ob ich den Herren ver
ständlich bin. Die letzten Worte pflegte er mit
abgewandtem Gesicht nur durch Lippenbewegungen
zu markiren, so daß nur der erste Redetheil:
„Ich weiß nicht ob . ." für gewöhnlich verständ
lich war.
In den juristischen Prüfungen pflegte er das
Pfandrecht häufig zum Gegenstand seiner Fragen
zu machen. Ein Fall ist uns erinnerlich, in
welchem der über die Natur des Pfandrechts
examinirte Kandidat H. in lateinischer Sprache
— damals wurden die Examina in lateinischer
Sprache abgehalten — erwiderte: „In hac materia
summae tenebrae per multa saecula profusae
erant; tune tu, illustrissime, exstitisti et
lucera in rem tulisti.“ Als nun Büchel, den
diese Einleitung nach seinem beifälligen Lächeln
zu schließen, sehr gekitzelt hatte, den Kandidaten
weiter fragte: 8ane, candidate ornatissime !
Et quomodo Büchel pignus definivit ? —
da mußte der Kandidat leider die Antwort
schuldig bleiben, was bei Büchel ein „Schütteln
des Kopfes", bei seinen Kollegen und der Corona
aber große Heiterkeit hervorrief. —
Büchel wob seinen Vorlesungen gern kleine
Anekdoten ein. Wenn er beispielsweise einem
Kollegen den Bormurf machen wollte, daß er
einfache Sachen durch große Weitschweifigkeit
nur verdunkelt und entstellt habe, so pflegte er
mit dem ihm eigenthümlichen Tonfall zu sagen:
„Es kömmt mir das gerade so vor, wie jener
garfon, der eigentlich Neb hieß, von den Gästen
aber der Kürze halber Nebukadnezar ge
nannt wurde. Ich weiß nicht, ob . . . —
Sehr erregt konnte Büchel werden, wenn
Arndts, nach dessen Lehrbuch er in den 60er
Jahren die Pandekten las und den er kurzweg
„Verfasser" zu nennen pflegte, ihn in einer
Materie, über welche er — Büchel — geschrieben
hatte, bei Aufführung der einschlägigen Literatur
nicht erwähnt hatte. Er sagte dann im ärger
lichen Tone: „Der Verfasser hat mich hier wieder
nicht citirt. Wo er mit mir anderer Mei
nung ist, da führtermeinen Namen an, wo er
mich aber abschreibt, da citirt er mich nicht! —
Büchel sah es, wie aus Vorstehendem er
hellt , nicht nur gern, wenn sein Name in den
juristischen Werken genannt war, sondern er
führte auch sich selbst mit Vorliebe als juristische
Autorität an. Um so schmerzlicher berührte es
ihn, als ein zu allerlei Kurzweil aufgelegter
etud. K. ihn einmal bei einer solchen Gelegen
heit nicht zu verstehen schien. Büchel citirte:
„Vergleichen Sie hierüber meine civilrechtliche
Erörterungen, Band I S. 447 und folg."
8tud. K. fragte: „Meine?" worauf Büchel,
ärgerlich, daß er nicht verstanden war, nachmals
wiederholte: „meine civilrechtlichen Erörterungen
Bd. I S. 447 und folg." Als nun aber etud.
K. weiter fragte: „Meine", ist das der Konser
vator Br. Meine hier?" — da rief Büchel laut:
„Ach was! meine, das bin ich, Büchel, Büchel!
Dieser Meine hier, ich meine auch gar, ich weiß
nicht ob . . und wiederum folgte unter dem
Gelächter des Auditoriums die bezeichnende
Lippenbewegung. — (Schluß folgt.)
Von H. Keller-Jordan.
„Ich wünsche Ihnen recht herzlich gute Besse
rung, liebe Frau Ruppius, und hoffe Sie nun
auch bald wieder einmal bei mir zu sehen."
„Ich danke", sagte die blasse Kranke, die im
Sessel lehnte, „mit den Besuchen wird es aber
wohl noch eine Weile dauern, ich fühle mich noch
sehr müde."
„Wird schon wieder recht werden, tröstete die
große Frau, die vor ihr stand, an ihrem Hand
schuh zupfend, „besonders wenn der Herr Sohn
erst die Mama besucht — und —"
„Rudi wird seine Mutter nicht besuchen, Frau
Kanzleiräthin," fiel hier eine Stimme ein, die
sich bis jetzt nicht an der Unterhaltung betheiligt
hatte und einem älteren Mädchen angehörte,
welches an einem Tische mit Rechnen beschäftigt