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Uarburger Wanöeküstm
Von F. Iw eng er-
Als einst, vor 50 Jahren oder noch länger,
ein Marburger Professor in der juristischen
Fakultäts-Prüfung an den Kandidaten die Frage
stellte: Quis weit, pandectas ?, da soll dieser
geantwortet haben: Mackeldeius ille clarissimus.
Nun, die Pandekten hat der allerdings sehr be
rühmte Professor des römischen Rechtes, Ferdinand
Mackeldey, gerade nicht gemacht, alldieweil dieses
„opu8 äesperatunr" schon dreizehnhundert Jahre
zuvor der Kaiser Justinian durchseinen Hofjuristen
Tribvnian unter Zuziehung von sechszehn anderen
ICtis hatte besorgen lassen, aber ein „Lehrbuch
der Institutionen" hat Professor Mackeldey ver
faßt, das zuerst 1814 erschienen und 1818 zu
einem „Lehrbuch des heutigen römischen Rechts"
umgearbeitet, irre ich nicht, 18 Auflagen erlebt
hat und in die Sprachen fast sämmtlicher Kultur
völker übersetzt worden ist. Dem Verfasser selbst
brachte dieses Lehrbuch gewaltigen Ruhm, dem
Verleger Georg Friedrich Hcyer in Gießen aber
recht viel Geld ein.
Ferdinand Mackeldey ist zwar kein
geborner Hesse, aber er hat eine Reihe von
Jahren an der Universität Marburg als Pro
fessor gewirkt, seine nächsten Anverwandten be
kleideten hohe Stellen im Staats- wie im Militär
dienste unseres engeren Vaterlands, und heute
noch blüht daselbst, in großem Ansehen stehend,
die Familie Mackeldey, so daß wir dieselbe wohl
zu den Unseren rechnen können.
Ferdinand Mackeldey ist am 5. No
vember 1784 zu Braunschweig geboren. Sein
Vater war daselbst Stallmeister des Herzogs
Ferdinand. Nach dem Tode des letzteren (1792)
verlor der Vater diesen Dienst, wurde aber bald
nachher als Stallmeister bei der Universität
Helmstädt angestellt. Hier besuchte Ferdinand
Mackeldey das Pädagogium, bezog dann 1800
das Kollegium Karolinum zu Braunschweig,
kehrte 1802 nach Helmstädt zurück und studirte
daselbst 3'/s Jahre die Rechte. Am 19. Mai
1806 wurde er nach vorgängigem examen
rigorosura auf Grund seiner Juaugural-Disser-
tation „Quatenus actio de recepto contra
aurigas et curatores mercium s. speditores
competat“ zum Doctor juris promovirt. Hier
nach trat er, um sich in der juristischen Praxis
zu üben, als Auditor in das dortige Spruch
kollegium und wurde noch in demselben Jahre
unter die Advokaten aufgenommen. Zu Ostern
1807 habilitirte er sich als Privatdocent in der
juristischen Fakultät. Er hielt zunächst Vor
lesungen über Institutionen und einzelne Theile
der Pandekten, doch war es anfänglich nicht
seine Absicht, sich dem akademischen Leben zu
widmen, vielmehr ging sein Bestreben vorzugs
weise dahin, in die richterliche Laufbahn einzu
treten, und er war eben im Begriff, ein ihm
angetragenes öffentliches Richteramt anzunehmen,
als ihn unerwartet ein Unglück traf, welches
seinem ganzen Lebensplane eineandere Richtung gab.
An dem Tage, an dem Napoleon die Konstitution
des Königsreichs Westphalen (15. November 1807)
unterzeichnete, verlor er plötzlich, ohne voraus
gegangene Krankheit, ohne besonderen Anfall und
sonst bei vollkommener Gesundheit in Zeit von
einer halben Stunde gänzlich das Gehör. Ver
gebens forschten die Aerzte nach der Ursache
dieser plötzlich eingetretenen Taubheit, vergebens
wurden alle Mittel dagegen angewandt, ver
gebens unterwarf er sich später der Operation
der Durchbohrung des Trommelfells, nichts half,
er war und blieb seitdem stocktaub. Dadurch
wurde er aber gezwungen, die praktische Lauf
bahn aufzugeben, und zugleich bestimmt, sich
nunmehr ganz dem akademischen Lehramte zu
widmen. Im Jahr 1808 wurde er zum außer
ordentlichen Professor der Rechtswissenschaft und
im darauffolgenden Jahr auch zuni außerordent
lichen Beisitzer des Spruchkollegiums ernannt.
Nach Aufhebung der altehrwürdigen Universität
Helmstädt durch das westphälische Dekret vom
10. December 1890 wurde er mit dem geringen
Gehalte von 400 Frauken nach Marburg versetzt.
Das war eine trübe Aussicht, und nur ungern
verließ er Helmstädt, wo ihm alles befreundet
und seine Existenz gesichert war. In Marburg
fand er eine außerordentlich freundliche Aufnahme;
die herzliche Theilnahme, deren er sich dort bald
allenthalben zu erfreuen hatte, das offene biedere
Vertrauen, mit welchem ihm seine neuen Kollegen
ohne Ausnahme entgegenkamen, die unverkenn
bare Bereitwilligkeit, ihn durch Rath und That
zu unterstützen, trugen jedoch nicht wenig dazu
bei, ihn zu ermuthigen und ihm bald das Leben
in Marburg sehr angenehm zu machen. Im
Juni 1810 wurde er zu Marburg als außer
ordentlicher Professor und als außerordentlicher
Beisitzer des Spruchkollegiums eingeführt, wenige
Tage darauf eröffnete er seine Vorlesungen.
Schon am 27. Februar 1811 wurde er zum
ordentlichen Professor in der juristischen Fakultät
und im April desselben Jahres, nach Erxlebeu's
Tode, auch znm ordentlichen Mitglied des Spruch
kollegiums ernannt. Als nach der Schlacht bei
Leipzig das Königreich Westphalen aufgelöst und