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gehen und elf Jahre lang von seinen Brüdern
2000 Gulden jährlich erhalten sollte. Auch seine
Ansprüche an Hessen wurden ihm, wenn er dem
geistlichen Stande untreu würde, auf's neue
gewahrt.
Es ist indessen nicht wahrscheinlich, daß er der
artige Anwandlungen gehabt habe. Er war, wie
erwähnt, 1464 bereits Domherr in Köln, 1465
wurde er Dompropst in Fritzlar, und 1467
Canouicus in Mainz.*) Er besaß also diejenigen
Einkünfte, welche ihm volle Unabhängigkeit von
seinen Brüdern gewährten, und konnte so dein
hervorstechenden Charakterzuge seines Wesens,
der Friedensliebe, nachgeben und die Vermittler
rolle in den Streitigkeiten derselben übernehmen.
Dazu bot sich die Gelegenheit bald. Denn
im Jahre 1468 brach der beiderseitige Groll
zwischen Ludwig und Heinrich zu offener Fehde
aus. Das Land wurde dabei jämmerlich ver
wüstet, Städte (wie Borken, Schwarzenborn),
Dörfer und Burgen zerstört und Bürger und
Bauern gefangen oder erschlagen. Bemerkens
werth ist, wie die Zeitgenossen in diesem Streite
übrigens mehr für Ludwig, den freimüthigen,
unerschrockenen Kriegsmann, wie für Heinrich
und seinen allmächtigen Günstling Hans von
Dörnberg Partei ergreifen.
Es war nicht abzusehen, wie die jammervolle
Fehde enden würde, zumal Ritterschaft und
Städte, entgegen dem Beschlusse des letzten Land
tages am Spieß, in den Krieg hineingezogen
wurden oder selbständig Partei ergriffen. Dort
war man nämlich übereingekommen, daß die
Stünde des gesammten Fürstenthums bei einem
etwaige» Zwiste der Herren neutral bleiben
wollten.*)
Jetzt rüstete man sich aller Orten und setzte
sich in Vertheidigungsznstand oder zog hinaus
ins Feld (anfangs Januar 1769). 3 ) Allein
Landgraf Hermann war nicht gemeint, das Land
durch die Bruderfehde zu Grunde richten zu
lassen. Er stnrdte Schreiben aus und setzte auf
die Mitte des Februar einen Tag nach Fritzlar
an. Und seine Vorstellungen fanden Eingang,
zumal bei den Städten, wie es scheint.') Denn
1) Joannis, Rer. Mogunt. vol. II, p. 367. Die
irrigen Angaben bei Hoffmeister, Geneal. Handb. von.Hessen
S. 16, sind danach richtig zu stellen.
2 ) Rommel a. a. O. S. 23.
8) Kasseler Stadtrechnungen, Hrsg, von Stölzel,
Zeitschrift für Hess. Gesch. R. F. III. S. 23: „Item 23
Schillinge für Pulverbudele ufs Raithues, als man die
Thorne und Gewehr bestalt der Stadt Cassel." — „21 Sch.
für Tuch zu Socken den Stadtknechten, als man zog ins
Heer a. d. 69, Dienstag post Epiphanie."
4 ) Ebenda: „Item 1 Pfund Bürgermeister Wyngart, als
ir geredden was zu Fritzlar u f den Tag gein unsn g.
Herren Landgrafen Hermann."
sie fanden es für nöthig, sich ihm gegenüber zu
verantworten und ihre Ehre zu wahren.')
Am 20. März endlich erließ Hermann ein
feierliches Ausschreiben an alle Ritter und Mann
schaft, wie auch an Bürgermeister und Räthe
der Städte sowohl in Hessen wie im Lande an
der Lahn; er warf ihnen das Unrecht vor, das
sie durch ihre Einmischung in den Streit be
gangen hätten, und forderte sie auf, davon ab
zustehen, widrigenfalls er sie als Miterbe des
Landes zu Recht belangen würde. *)
Die Rechnungen der Stadt Kassel aus jener
Zeit lassen erkennen, daß ein sehr reger Verkehr
unter den Städten selbst wie mit Landgraf
Hermann und Landgraf Ludwig im Gange war.
Die Boten gingen herüber und hinüber, nach
Fritzlar, Homberg, Melsungen, Felsberg u. s. f.
Mitte April finden wir Hermann wieder in
Köln; 3 ) allein die Angelegenheit war in Fluß
gebracht, die Städte hielten einen weiteren Tag
ab ungefähr um dieselbe Zeit^), und die hadernden
Landgrafen sahen sich bewogen einzulenken?)
Am 25. Mai desselben Jahres erschienen beide
Landgrafen am Spieß und beredeten eine neue
Erbeinung mit einem Austrügalgericht zur Bei
legung der beiderseitigen Irrungen?)
Das Verhältniß Landgraf Hermanns zu seinen
Brüdern war nach wie vor das beste. Namentlich
war er mit Ludwig so vollständig allsgesöhnt,
daß er ihm in eben dem Jahre 1469 einen
trefflichen Sänger für seine Hofhaltllng empfahl:
den später auch als Dichter bekannten Johann
von Soest. Dieser damals noch sehr jugend
liche Sänger war im Begriff, von Brügge, wo
er sich zuletzt aufgehalten hatte, nach Rom zu
wandern und bei der päpstlichen Kapelle Auf
0 Ebendaselbst: „Item 4 Sch. Ciriacus dem Bodden,
gesandt zu u. gn. Herrn Hermann gein Fritzlar mit der
Vorwaren der Städte." Ueber die Bedeutung des Wortes
„Vorwaren" siebe Schiller u. Lü b b e n, Mittelndd. Wb.
2) Kalckho ff'sche Collectaneen zur Hess. Geschichte. St.
Landesbibl. in Kassel, Mss. Hass. 4". 81. R o m in e l a.
a. O. S. 41.
8) Kasseler Stadtr. S. 28: Item 10 Sch. dem Bodden
unßs gnüd. Herren Landgrafen Hermann gesandt gein
Collen in Sache der Städte jenseit der Loyne, ihr Änt-
wurt betreffen.
0 Ebenda: Item 21 Sch. Hennen Pieker vor Bier ver
trunken die Städte, als sie bei ein waren in Sache der
Verwahrunge unßs gnäd. Herrn 7c.
8) In den Kasseler Stadtrechnungen jener Tage findet
sich öfter die Bemerkung, daß die Städte mit dem Land
grafen Ludwig wegen der Landbede oder Landsteuer ver
handeln (z. B. S. 27 u. 28). In den Chroniken jener
Zeit (z. B. in der Reimchronik, Anal. Hass. Colt. V) wird
gesagt, daß im Jahre 1469 Landgraf Ludwig den Rath
von Kassel absetzte. Möglicherweise stehen diese Umstände
untereinander im Zusammenhang, und die Städte machten
durch die Weigerung der Steuer den Krieg unmöglich.
l') Rommel a. a. O. S. 41 f.