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am 10. November 1810 führte. Sie wurden zu
15 bezw. 10 Jahren Zuchthaus verurtheilt. Ihre
Ueberführung in das Zuchthaus zu Rockenberg
fand alsogleich statt. Dort saßen sie so lauge,
bis der Kriminalgerichtshof des Werra-Departe
ments vom Königreich Westphalen zu Marburg
um ihre Auslieferung ersuchte, welche im November
1811 erfolgte.
Nach der Razzia auf der Bredelarer Hütte
schien es eine Zeit lang, als habe man die Bande
bis auf den letzten Mann gefaßt oder dem Reste
die Gegend verleidet; denn man hörte fast ein
Jahr lang nichts mehr von Diebstählen und
Einbrüchen. Das Platte Land athmete auf. —
Da machte plötzlich ein Straßenraub, begangen
am 14. September 1808 zwischen dem Waldeck'schen
Städtchen Züschen und dem Niederhessischen
Dorfe Hadamar an dem Handelsmann Johann
Blankenmeyer viel von sich reden und verscheuchte
wie mit einem Zauberschlage das kaum zurück
gekehrte Gefühl der Sicherheit. Diesem Raube
folgten in rascher Reihenfolge eine große Anzahl
anderer, wovon die Anklageschrift des General
prokurators des Königs, Freiherrn von Haustein
zu Marburg *), fünfzehn aufführt, welche in dem
Zeitraum eines Jahres begangen wurden, so ein
in der Nacht vom 15. auf 16. August 1808 an
dem Krämer Lorenz Ellerkamp zu Homberg an
der Efze, und ein anderer vom 19. auf den 20. August
an Feist Wallach's Wittwe, in der Ziegenhainer
Vorstadt verübter.
Diese beiden Verbrechen heben wir deshalb
hervor, weil sie Gelegenheit bieten, auf die
Person des „schwarzen Hann-Adam" zurück-
ukommen, da er bei denselben zum ersten Male
eit seiner Verurtheilung zu Braunschweig wieder
auftaucht und auf der Bildfläche, der sich bald
darauf entwickelnden Prozeduren vor Gericht
eine interessante Erscheinung abgiebt.
Die Wallach's, die noch jetzt zu den an
gesehensten jüdischen Familien der alten Schwalm
stadt zählen, wurden in jenen Tagen zu den
reichsten der Umgegend gerechnet. Die Firma
„Feist Wallach's Wittwe" hatte ihr Geschäfts-
Lokal in der Vorstadt, von Alters her Weichhaus
genannt. Nebenan wohnte ein jüdischer Nachbar,
der Viehhandel trieb, sich mit dem Kuriren
kranken Viehes abgab und deshalb unter dem
Namen „Auscher Leib-Docter" in der
Umgegend bekannt war. Die Antccedenzien
dieses Menschen waren schlimmster Art. Geboren
war er zu Obergrenzebach, einem der dreizehn
echten Schwälmer-Dörfer. Nach dem Tode seines
Vaters trat er als Knecht in die Dienste seines
Vormunds Aaron Bacharach zu Neukirchen.
*) Gedruckt zu Marburg 1812. Perl. P. Bairhoffer.
Beschuldigt, in dessen Haus eineu Brand angelegt
zu haben, verließ er das vormundschaftliche Haus
und trat auf die eigenthümlichste Art und Weise
die Erbschaft seiner indessen verstorbenen Mutter
an. Die Geschwister waren nämlich verzogen
und hatten die elterlichen Sachen zurückgelassen.
Er kam wie ein Dieb in der Nacht, erbrach
mit einem Helfershelfer von hinten das Haus,
brachte von den Sachen, was niet- und nagellos
war, in einer versteckten Kammer unter, die
einen, nur ihm bekannten Eingang durch den
Rauchfang hatte und schlug andern Tages Lärmen,
er sei bestohlen worden. Seine Angabe fand
umsomehr Glauben, als in einem Nachbardorfe
ein Sack gefunden wurde, der mit Sachen voll
gefüllt war, die zu der Hinterlassenschaft gehörten.
Daß ihn der Schlauberger aber selbst dorthin
geschafft hatte, das zu glauben fiel keiner
Menschenseele ein. Später veräußerte er dieses
Anwesen und siedelte nach Ziegenhain über.
Ein in dem Hinterhause seiner Wohnung aus
gebrochener Brand, dessen Entstehen man sich
nicht deuten konnte, eine Prellerei im Kuhhandel
gegen einen Bauer in Ncuenhain und der Umstand,
daß er einen Bienendiebstahl veranlaßt hatte,
brachten ihn in nähere Bekanntschaft mit dem
Kriminal-Gericht und hatten am 16. August 1804
seine Verurtheilung zu uubestimmer Haft in „den
Eisen" mit „Willkomm und Abschied"*) zur
Folge. Daß die Frau Wallach in der Unter
suchung gegen ihn gezeugt hatte, das forderte
seinen unauslöschlichen Haß heraus.
Während seiner Haft machte er in den Eisen
die Bekanntschaft eines Räubers von Profession,
des Kaspar Rupprccht, der später zu Kassel hin
gerichtet worden ist, und beide planten schon da
mals den Raub, von welchem nachstehend die
Rede sein wird.
Rupprecht, der mit von der Partie bei Eller
kamps war, erinnerte sich der ihm vom Auscher-Leib-
Docter gemachten Mittheilungen schon vor diesem
Raube, namentlich auch, daß es in der dortigen
Rentcrei viel zu holen gäbe und theilte das der
Bande mit. Diese sandte sofort den schwarzen
Hann-Adam und ihn zum Baldowern aus. Beide
kehrten bei Auscher ein, welcher jedoch von einem
Raube in der Renterei ab, und zu dem bei der
Wittwe Wallach rieth. Nach dem Raube in
Homberg erschienen Mannes und Mein auf Kund
schaft in Ziegenhain, betraten den Wallach'schen
Kramladen, kauften sich ein Packet Tabak, gingen
in die Küche, angeblich um sich Köhlchen auf die
Pfeifen zu holen, in Wirklichkeit aber, um sich
das Küchenfenster anzusehen, von dem Auscher
*) Farrenstreiche auf der Prügelbank beim Kommen und
Gehen.