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zequemte sich erst dann zum Gehen, als jener
ihm heilig und theuer versichert hatte, daß er
einen Antheil an dem zu machenden Raube
dennoch erhalten solle.
Auf diese Weise wurde ein Aufeinanderplatzen
der beiden durch die Mitglieder der Bande ver—
hütet; aber erst nach dem Einbruch auf der
untersten Oelmühle bei Naumburg, von wo sich
der größte Theil der Räuber nach dem Dorfe
Zwessen zurückgezogen hatte und in der Juden—
Herberge lag, gelang es der ältesten Tochter,
christiane, ihren Vater zu beschwichtigen und
nit der Mutter auszusöhnen, sodaß er die Alte
vieder zu sich nahm. Aber damit war die
Angelegenheit noch lange nicht aus der Welt
geschafft; denn nach dem Raube von Otterbach
urchstrich der beleidigte Alte rachedurstig die
hegend, den verhaßten Nebenbuhler aufzusuchen,
ind wer weiß, was geschehen wäre, hätte die
valtende, ewige Gerechtigkeit ihn nicht erreicht
ind seiner Verbrecher-Laufbahn das verdiente
Ziel gesetzt. (Fortsetzung folgt.)
—5
Der Rechle.
Hessische Dorfgeschichte von E. Menkhel.
(Fortsetzung.)
Wie in heftigem Schrecken fuhr Marielies
zusammen und sah den Alten halb staunend, halb
aingläubig an. „Und was ist das für ein Mittel?“
fragte sie gespannt, während es ihr kalt über
den Rücken lief.
Es ist naut Gruselichtes“, versetzte der Ange—
redete, der die Befürchtungen des Mädchens so—
fort durchschaute. „Wann du einmal wieder zu—
fällig über Land gehst und findst ein Vergiß—
meinnicht, dann sieck's unter die nackige linke
Achsel. So lang red dann kein Wort, bis dir's
erste Mannsbild in den Weg kommt. Das frag
nach sei'm Vornamen und sei gewiß, so wie der
lautet, so heißt in Zukunft dein Rechter auch.“
Marielies lachte. „Da könnt' ich lang laufen,
Bast, so'nen Namen“ — —
Mitten im Satz hielt sie inne und wandte sich
um, damit er ihr gluthübergossenes Gesicht nicht
sehen solle. Was für ein dummes Wort war
yr denn eben entfahren! Auf solchem Irrwege
zurfte sie sich nie mehr ertappen.
Die Augen des Alten leuchteten plötzlich freudig
auf. Dennoch that er, als wäre ihm das acht—
lose Bekenntniß des Mädchens und ihre darauf
folgende Verwirrung vollständig entgangen. Ohne
sie anzuschauen, zündete er sein Thonpfeifchen an
und fuͤhr nach einer Weile fort: „Bei der Sache
st nur ein Punkt wohl zu bedenken.“
Marielies hatte sich inzwischen wieder gefaßt.
Obgleich sie sich noch einredete, auf solche Weise
um keinen Preis hinter das Verborgene kommen
zu wollen, hätte sie den Punkt doch gar zu gerne
zewußt. Eine Weile zögerte sie noch, dann fragte
sie etwas kleinlaut: „Was ist denn bei der Sache
wohl zu bedenken?“
„Das ist ebbes*) ganz Schenirliches“, erklärte
Bast. „Wenn man zufaͤllig am selben Tag noch
»em Rechten in den Weg kommt, muß man ihn
inreden und ihm 'ne Hand reichen, mag man
ruch noch so bös mit ihm stehn. Thut man's
nit, so kann man sich drauf verlassen, daß ihm
n der nächsten Zeit der Teufel an Leib und
Zeele 'nen bösen Possen spielt.“
„Herr Jesus“, so was könnt' ei'm ja ganz
)esparat machen“, versetzte das Mädchen betroffen.
„Ei freilich“, bestätigte der Alte. „Es ist des—
salb immer gut, man geht, wann man so aut
Wichtiges vorgehabt hat, durch den Wald heim
9 nit über'nen Weg, wo man die Leut' leicht
rrifft.“
Nickend stimmte Marielies zu, aber sie sagte
ein Wort darüber, ob sie den Zauber probieren
volle oder nicht. Bast fragte auch nicht weiter
danach. Er geleitete sie bis an die Hausthür
ind entließ sie mit den besten Wünschen für die
Heilung des kranken Schimmels.
Draußen wartete bereits eine junge Bäuerin,
nit der das Mädchen verabredet hatte, heimzu—
zehen. Die Frau schwatzte viel über die neuen
Begebenheiten im Kirchspiel und mischte geläufig
illen möglichen Klatsch in ihre Erzählungen,
vährend Marielies in Gedanken auf ganz anderen
Wegen weilte. Wie gerne wäre sie jetzt allein
—R——
sie Gelegenheit geboten, über den seltsamen Auf—
uhr in ihrem Innern nachzugrübeln. — Rings
var es stille in Flur und Wald. Der Mond
chien durchs Geäste der alten Lindenbäume, dann
*Petwas.