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Geschichte der Räuberbande des „alten Druchers“.
Von Tubwig Mohr.
Nach Druckers Gefangennehmung, und waͤhrend
er in der Karre ging, hatte der große Hann—
Peter das Erbe der Führerschaft angetreten.
Bei dem Einbruche auf Gut Vahrm war auch
er, wie bereits bemerkt, und sein Schwager
Hann-Jost Mein betheiligt, ja nach den späteren
Geftaäändnissen des Mein, wären sie Beide es
gewesen, die nach geschehenem Raube die be—
krächtliche Menge ESilbergeschirrs in einem
Wäldchen beim sogenannten Klapperkruge ver—
graben hätten; er — Mein — habe dasselbe
aͤber später nicht mehr vorgefunden, der Hann⸗
Peter habe es ausgegraben und verkauft,
als Antiheil seien ihm später von Jenem
3 bis 7 Thaler gegeben, während Hann-Peter
aus dem Etlös eine Kaution von 40 Rthlr bei
dem Regiment des Herzogs von Braunschweig
zu Halberstadt, bei das er sich gleich nach dem
Kaube zu Gut Watzum hätte annehmen lassen,
gestellt habe. Hann-Peter hat das nie zugestanden,
imm Gegentheil behauptet, daß diese Kaution von
ihm im Handel mit Galanterie-Waaren erworben
sei. Aber wozu brauchte er bei dem Regimente
eine Kaution? fragen wir uns. Die Beantwortung
wirft ein eigenthuͤmliches Licht auf die damaligen
Zeit- und Heeres-Verhältnisse. Drei Monate
iim Jahr hatte er zu dienen; die übrige Zeit
gehörte ihm. Er wurde beurlaubt, trieb während
des Urlauͤbs seinen angeblichen Handel, und die
Preußische Uniform mußte ihm dabei mehr als
ein Mal, wie aͤktenmäßig feststeht, über manche
Fährlichkeit weghelfen.
Wir würden, als etwas Nebensächliches, den
Umstand wegen Vergrabung des Silberzeugs
unberührt gelassen haben, wären wir dadurch
nicht an einen Feuilleton-Artikel erinnert worden,
der vor Jahren in einer Zeitschrift irgendwo zu
lesen war und den Silberfund, den bei Hildesheim
ein Soldat bei Schanzarbeiten gemacht, zum
Gegenstand seiner Besprechung hatte. Dieser
Silberfund, der einst der Tagespresse ein großes
Material lieferte — hielt man ihn u. A. doch für das
Tafelgeschirr des Varus, das aus der Teutoburger
Schlacht hierher geflüchtet und vergraben worden
sein sollte — wurde von dem Verfasser jenes
Artikels als wahrscheinlich aus dem Watzumer
Raube herrührend bezeichnet. Leider sind die
Gründe, die zu dieser Behauptung angeführt
wurden, dem Gedächtnisse des Verfassers total
entfallen. Greifen wir nach diesem Abschweife
wieder die Geschichte der Drucker'schen Bande
(Fortsetzung.)
uuf, die sich allgemach wesentlich verstärkte.
Zaun⸗Peter leitete die Räubereien, theilte diese
keitung jedoch zeitweise mit einem aus Polen
ingewanderten Juden „Mentel Polack“, der
von herkulischem Wuchse war, und in dessen
Zand die Führung der israelitischen Mitglieder
ag, die verhältnißmäßig stark vertreten waren.
In diesem Punkte unterschied sich das Nieder⸗
Jessische Gauner-Gesindel von den Vogelsberger
Ind Wetterauer Räubern, die höchst ungern
zuüldeten, daß Juden an ihren Unternehmungen
Theil nahmen; sie brauchten diese blos zur
Abnahme und zum Verkaufe gestohlener Sachen.
Die Gauner wechselten ihre Namen, so oft sie
»s für gut fanden oder die Umstände sie dazu
idthigten; nur ihre Spitzbuben-Namen, bei denen
ie sich nannten und kannten, erlitten eine
bänderung nie. Wir geben davon in den
nächsten Zeilen eine Blumenlese und zwar
— DD— schwarzer
Abotius; Gilbert Eller; rother Konrad; kleiner
hüchel oder Michelchen; rother Becker; Lieder—
donrad; rother Gottlieb; kleiner Heinrich; Hann⸗
röffel; Cöllnischer Wilhelm; Cöllnischer Anton
der FlachvordemWind; scheeler Rößler; schwar—
er Kontad; Kammerjägers-Jungen; langer
ohann ꝛc.; und der jüdischen; Schmul (der
-Ichwiegersohn des schon genannten Mentel Polack);
Meyer Eleassar, kurzweg Leyser; Joseph Markus;
Abraham Moses Levi, vulgo Gäul-Afromche;
Auscher-Leib-Docter; Simon Moses; auch
Schimschen“ oder „Schamschen“ oder „Sabelchen
Zinim“ genannt; Herz Fresser; kleiner Husar;
Z„chwarz⸗Bärchen; Löbchen Hegel u. A. m.
Ihre Umgangssprache halte diese Bande mit
denen anderer Gauner-Verbindungen gemein; es
var diese Sprache das Vehikel, an dem sie sich
rkannten und derer Ursprung aus dem Ebräischen
yon ihrer Verbindung mit den Auswürflingen
der Judenschaft zeugt.
Man würde sehr irren, wollte man, verleitet
urch das Wort Bande, sich vorstellen, daß das
Zesindel ein zusammengerottetes, wohl gegliedertes
Hanzes mit sogenanntem Räuberhauptmann und
hestimmtem Unterschlupf gebildet hätte. Sie
ogen vielmehr vereinzelt im Lande umher,
Jalten ihre Patente und Pässe, trieben tagsüber
um Scheine das ehrsame Geschäft von Hausierern,
Haändlern, Zinngießern ꝛc. und blieben nachts in
Herbergen, deren Wirthe „kochem“ (die da
ug d. h. es mit den Dieben hielten) waren. War