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scheu Heere gegenüber die alte hessische Tapferkeit und
Ausdauer zu beweisen.
Die verbündete Armee führte in 3 Colonnen
ihren Umgehungsmarsch aus. Zwischen der 2. und
3. Colonne zog die französische Reserve-Artillerie.
Als dieselbe nebst der französischen Infanterie-Reserve
zurückblieb und dann später wieder nacheilte, schob
sie sich zwischen das französische 1. und 2 Treffen,
wodurch eine heillose Unordnung entstand. Nur die
deutsche Infanterie unter dem Prinzen Georg
Wilhelm von Hessen-Darmstadt hatte Ord
nung und Richtung bewahrt. Indessen war das
preußische Heer abmarschirt und Seidlitz hatte sich
mit der Reiterei, völlig unbemerkt vom Feinde, der
die Preußen auf dem Rückzüge begriffen glaubte,
hinter dem sog. Janus-Hügel so aufgestellt, daß seine
Front die Marschrichtung der Verbündeten durchschnitt.
Ebenda waren auch die schweren Geschütze aufgestellt.
Plötzlich gaben dieselben das wirksamste Feuer ab auf
die beiden, 16 und 17 Schwadronen tiefen Colonnen,
welche die Spitze bildeten. Gleichzeitig warf sich
Seidlitz mit 20 entwickelten Schwadronen auf die
dichten feindlichen Reitermassen und faßte sie an der
Spitze und in der Flanke. Wenn auch die die Spitze
bildenden österreichischen Kürassiere und die Reserve-
Kavallerie unter Broglie vorübergehenden Erfolg
hatten, so war doch der ganze Kampf bald durch das
rasche Eingreifen des preußischen zweiten Treffens
entschieden. Auch gegen die Reichsinfanterie richtete
ein Theil der preußischen Reiterei seinen Angriff bei
der Verfolgung der geschlagenen französischen Regi
menter. Dieselben ergossen sich in regelloser Flucht
auf die Colonuen der Reichsinfanterie, an deren Spitze
sich das kaiserliche Regiment Würzburg und das
hessen-darmstädtische Prinz-Georg-Regiment befanden.
Während die vier übrigen Regimenter der Reichs
infanterie (6 fränkische Bataillone und zwei von
Kur-Trier) die Flucht ergriffen, hielten die beiden
vorderen Stand. In Folge ihrer vereinzelten Lage
konnten sie nicht mehr in den eigentlichen Ent-
scheidungskampf eingreifen.
Mitten jedoch in der allgemeinen Auflösung traten
die Hessen einen geordneten Rückzug an und bildeten
die äußerste Nachhut. Oberstlieutenant von Löwen
feld, dem an Stelle des Obersten Stutzer das Kom
mando übertragen worden war, besetzte das südöstlich
von Penstadt gelegene Gehölz; auf dem linken Flügel
ließ er die Geschütze auffahren. Hier blieben die
Hessen noch längere Zeit stehen, indem sie die feind
lichen Angriffe abwiesen. Erst nachdem alle Hoff
nung auf einen günstigen Ausgang des Gefechtes ge
schwunden war, räumten die Hessen auf den beson
deren Befehl des Prinzen Georg von Hessen ihre
Stellung. Hierbei ließ derselbe noch mehrere Male
gegen den heftig nachdrängenden Feind Front machen
und in langsamem Marsche den Rückzug fortsetzen,
unter beständigem abwechselnden Feuer der beiden
Geschütze. —
Wer also von uns jene bekannten Verse:
„„ltnfc wenn der große Friedrich kommt
Und klopft nur auf die Hosen,
So läuft die ganze Reichsarmee,
Panduren und Franzosen
hört oder liest, der sei sich mit Stolz bewußt, daß
die Hessen auch da nicht gelaufen sind. —
Laubach in der Wetterau.
Dr. August Uoeschen.
Aus Heimach und Fremde.
Kassel. Die diesjährige Hauptversamm
lung des Vereins für hessische Geschichte und Landes
kunde wird am 16., 17. und 18. Juli zu H ers f eld
abgehalten werden.
— Bei dem in der vorigen Nummer dieser Zeitschrift
kurz erwähnten, am 30. v. M. in dem „Verein für
hessische Geschichte und Landeskunde" von W. Rogge-
Ludwig gehaltenen Vortrage hatte sich Redner die
Aufgabe gestellt, auf Grund neuer Quellen, namentlich
der erst im Jahre 1663 durch Veröffentlichung der
Korrespondenz Napoleons I. bekannt gewordenen In
struktion, welche dieser dem Marschall Mortier bei
Besetzung Kurhessens ertheilt hatte sowie auf Grund
bisher unbekannt gebliebener Aufzeichungen von Zeit
genossen, frühere Darstellungen des Aufstandes der
hessischen Soldaten zu ergänzen bezw. zu berichtigen.
In der erwähnten Instruktion hatte Napoleon das
gegen das Land einzuhaltende Verfahren in allen
Punkten sehr genau vorgeschrieben, und aus seinen später
erlassenen Anordnungen ergab sich, daß er, durch be
sondere Kundschafter von allen Vorgängen im
Lande unterrichtet, mit dem milden Vorgehen,
welches der von ihm als Generalgouverneur eingesetzte
Divisionsgeneral Lagrange gegen die Aufständischen
beobachtet hatte, höchst unzufrieden war und ihn zu
den später von diesem ergriffenen strengen Maßregeln
veranlaßt hat, wobei es aber anzuerkennen ist, daß
Lagrange trotzdem die bestimmten Befehle Napoleons
nicht vollständig zur Ausführung gebracht hat. So
beruhte zunächst die Anordnung des Generalgouverneurs,
welche den nächsten Anlaß zum Aufstand gab, aus
den hessischen Soldaten drei französische Bataillone
zu bilden, um sie aus ihrem Vaterlande zu entfernen,
nicht, wie Piderit angibt, auf dem Rath eines Deutschen,
sondern auf dem direkten Befehl Napoleons, welcher
diese Truppen für den Dienst des Königs von Neapel
bestimmt hatte.
Von dem auf Grund der Aufzeichnungen von Zeit
genossen neu Vorgebrachten ist insbesondere die nament
lich von Lynker in seiner Geschichte dieses Aufstandes
nicht erwähnte, von großem Einfluß gewesene Thätig
keit des als Retter des kurfürstlichen Schatzes bekannten