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Philipp Ludwig II.
Gin Lebensbild ans der Hanauer Krafen-Gefchichte.
Bon
F. W.
(Schluß).
*MhilipP Ludwig wurde» indeß bei der Aus-
M führung seines Planes verschiedene Hindernisse
*' in den Weg gelegt, einestheils von dem Rath
der Stadt Frankfurt, welcher seinen Burgern
bei Strafe verbot, in Hanau zu bauen, anderen-
theils von dem Kurfürsten von Mainz, welcher
die Behauptung aufstellte, daß das Bauterrain
in dem ihm zustehenden Wildbann der Bulau
läge. Was den letzten Einwand anging, so war
es dem Grafen leicht nachzuweisen, daß hier
noch nie Wald oder anderer Unterschlupf für
das Wild gewesen sei, sondern daß das Baufeld
nur aus Gärten und Aeckern bestehe. Nächstdem
beschwerten sich die Bürger der Altstadt, daß
durch de« Neubau ihre besten Grundstücke der
Kultur entzogen würden, und sprachen die Be
fürchtung aus, daß sie durch die zahlreichen An
siedler in ihrem Erwerb geschädigt werden würden.
Philipp Ludwig brachte sie dadurch zum Schweigen, ,
daß er ihnen für die verlorenen Grundstücke !
andere gab, zu welchem Ende er auch einen den j
Herrn von Dorfelden gehörigen im Bauplan
liegenden Güterkomplex von 30 Morgen erlauschte, j
Das Bauterrain wurde an die Anbaner gegen I
feste Taxen abgegeben. !
Mit dem Frühjahr 1597 erhob sich nun in !
dem Feld zwischen den Wällen Alt-Hanau's und i
der Kirche des Kinzdorfes ein reges Leben.
Der Wall und Graben, der die neue Stadt !
schützend umgeben sollte, wurde markirt, die
Straßen nach den vier Himmelsgegenden abge
steckt, die Bauplätze vertheilt. Hier wurde ge
graben, dort gemauert oder gezimmert. Unter
den Bau- und Werkleuten sehen wir den Grafen
und die Bauherrn umhergehen, hier den Fortschritt
der Arbeit prüfend, dort Neues anordnend.
Bald stand das erste von Georg Behaigne er
baute Haus unter Dach, das Eckhaus am Markt,
in welchem sich jetzt die hessische Diakonissen- ’
station befindet. Es erhielt den Namen: dar ,
Paradies und führte die Inschrift:
Das erstgebaute Haus bin ich.
Zum Paradieß heißt man mich.
Für Brand und Noth mich Gott bewahr,
Gleichwie auch meinen nächsten Nachbar.
Bis zum Jahre 1600 waren bereits achtzehn
Häuser fertig. In dem Zeitraum von da bis
zum Beginn des dreißigjährigen Kriegs war die
Bauthätigkeit am stärksten, so daß das Jahr
1618 bereits 364 Häuser vorfand.
Die Kapitulation sicherte den Ansiedlern nicht
nur vollkommen Religionsfreiheit, sondern auch
eine fast ganz selbstständige Verwaltung ihrer
Angelegenheiten, große Freiheiten, geringe Ab
gaben, und vor Altem vollkommene Handels- und
Gewerbefreiheit, eine in den deutschen Städten
damals noch unbekannte Sache. Hierdurch war
den Ansiedlern Gelegenheit gegeben, ihre Kräfte
ungehindert zu entfallen, denn sie brachten nicht
nur Geld mit, sondern auch ein reiches Kapital
von industrieller Geschicklichkeit, mit de.» sie nun
durch keinen reichsstädtischen Zunftzwang mehr
gehemmt wuchern durften. Unter den Zugezogenen
waren zahlreiche Posamentirer d. h. Bandweber,
Tuchmacher und Gerber, welche die heimische
Textil- und Lederindustrie aus den Niederlanden
nach Hanau verpflanzten, dir bis zum Anfang
dieses Jahrhunderts daselbst geblüht, von da an
aber anderen Industriezweigen Platz gemacht hat.
Ebenso findet sich unter den ersten Bewohnern
der Neustadt ein namhafter Juwelier, Jsak
Meusenhol, der als der Vater der noch jetzt so
blühenden Edelmetallbearbeitung zu betrachten ist.
Zur Beförderung des Handels halte der Graf
in der Kapitulation die Anlage eines Schiff-
fahrtkanals, der sich vom Main bis in das
Innere der Stadt erstreckte, sowie die Erbauung
eines Marktschisfes versprochen, welches den täg
lichen Verkehr mit Frankfurt bis zur Eröffnung
der Frankfurt-Hanauer Eisenbahn vermittelt hat.
Auch diese Einrichtung suchte Kurmainz zu stören,
indem es im Jahre 1607 daS Marktschiff durch
bewaffnete Mannschaft wegnehmen, zerstören und
den Schiffer gefänglich nach Groß-Steiuheim
abführen ließ. Philipp Ludwig wußte sich aber
für diesen Gewaltakt die gebührende Genug
thuung zu verschaffen.
Ain 9. April 1600 legten die Fremdlinge in
Gegenwart von vielen gräflichen und fürstlichen
Personen, darunter Friedrich, Pfalzgraf bei
Rhein,. Johann von Nassau, sowie den Grafen