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Erwerb waren gemeinsam, keiner der Brüder
durfte betteln oder terminiren, oder geistliche
Pfründen besitzen, jeder mußte sich von seiner
Hände Arbeit nähren, und was einer verdiente,
gehörte dem Brüderhause und den Dürftigen.
Dadurch wurden aber diese Brüderhäuser nicht
blos Sitze eines stillen, ehrbaren und gottseligen
Lebens, sondern auch Stätten christlicher Bildung
und Wissenschaft, sowie der Unterweisung in
mancherlei Gewerben und Handarbeiten. In
weiterer Ausdehnung ihrer Wirksamkeit ertheilten
die Brüder vom gemeinsamen Leben nicht allein
in niederen Schulen mit frommem Sinn und bei
reinem Lebenswandel der Jugend Unterricht im
Lesen, Schreiben, Rechnen, der Religion u. s. w.,
sondern bildeten auch in höheren Schulen, be
geistert für griechische und römische Literatur, die
Fähigen durch Wissenschaften und Sprachen,
namentlich durch das Studium der alten Klassiker
zu ausgezeichneten Männern aus.*) Landgraf
Ludwig gewährte den aus Münster berufenen
Kogelherren die Mittel zur Niederlassung in
Kassel und übergab ihnen 1454 die eingezogene
Besitzung des im Jahre 1391 wegen Aufruhrs
und Hochverraths Hingerichteten Bürgers Kunz
Seheweis, den s. g. Weißen Hof. In der „Con-
geries etlicher hessischer Geschichten", Kuchen
becker, Analecta Hassiaca, Coli. 1 pag. 18,
heißt es:
„1454 Hat Landgraf Ludewig die behausung
zu Cassel, so Cunz Seheweis des Hingerich
teten Bürgers gewesen, denen Kugelherru
gegeben, die haben ein Closter daraus ge
macht und ist der Weissehoff."
Die Kogelherren entfalteten eine stille, der Bil
dung für Frömmigkeit und Gottseligkeit gewid
mete Thätigkeit und daß diese hinsichtlich ihres
bewährten Unterrichts sehr erfolgreich gewesen
sein muß, dafür spricht allein schon die That
sache, daß zu Anfang des folgenden Jahrhunderts
vier Kasseler Bürgerssöhne zu gleicher Zeit an
vier verschiedenen Fürstenhöfen das Amt eines
Kanzlers bekleideten. —
Im Jahre 1429 unternahm Landgraf Ludwig
eine Pilgerfahrt nach dem heiligen Lande
und 1450 wohnte er zu Rom der Feier des
vom Papste Nicolaus V. angeordneten großen
Jubeljahres bei. Vom Grabe des Erlösers
brachte er einen Splitter des heiligen Kreuzes
mit, der in einem silbernen Schreine der Ver
ehrung der Gläubigen in der Kirche zu St. Martin
ausgestellt wurde. Und in Rom wurde ihm vom
Papste am Rosensonntage 1450 (15. März) die
*) S. Röth, Geschichte von Hessen, neue Ausgabe, be
arbeitet von C. von Stamford, S. 130; Weber, Geschichte
der städtischen Gelehrtenschule zu Kassel, S. 8; vergl.
außerdem Kuchenbecker, Analecta Hassiaca, Coli. VII. 1.
goldene Rose und der Ehrentitel »krwoeps pack“
„Fürst des Friedens" verliehen. Ueber Ludwig's
Pilgerfahrt nach Jerusalem, wie über dessen
Wallfahrt nach Rom ist in dem trefflichen Artikel
des Herrn Majors C. v. Stamford „die Pilger
fahrten des Landgrafen Ludwig I. und Wil
helm I. von Hessen nach dem heiligen Grabe",
S. „Hessenland Nr. 12 vom 15. Juni", ausführ
licher berichtet und brauchen wir hier blos auf
jenen Artikel zu verweisen.
Besondere Vorliebe hegte Landgraf Ludwig für
die Baukunst. Unter seiner Regierung entstanden
die Burgen zu Ludwigsau, zu Ludwigseck und
Ludwigsstein; letztere zur Sicherung des Werra
thals gegen die fehdelustigen Ritter des Eichs-
seldes, namentlich gegen die von Hanstein er
richtet, wurde unter dem Schutze eines Heer
haufens in so kurzer Zeit aufgebaut, daß man
der Sage nach an Zauberei glaubte. Während
in Kassel die Errichtung der Wage (1404) und
des Rathhauses (1408) noch in die Regierungs
zeit des Landgrafen Hermann des Gelehrten
fällt, erbaute Landgraf Ludwig u. a. das Kauf
haus auf der Freiheit (neben der Martinskirche),
gleich dem Rathhause mit einem stark besuchten
Weinkeller verbunden, ferner das Hochzeitshaus,
der neue Bau genannt, an der Fulda, da, wo
jetzt der Stadtbau steht. Gesteigerte Privat-
Bauthätigkeit ist immer ein Zeichen des sich meh
renden Wohlstandes und auch diese nahm unter
des Landgrafen Ludwig's Regierung von Jahr
zu Jahr zu. Die Bauten aus jener Zeit find
verschwunden, zumeist sind sie durch Menschen
hände zerstört worden, um anderen Anlagen
Platz zu machen, nur ein Baudenkmal aus jenen
Tagen ist noch vorhanden — der Druselthurm,
erbaut 1415, der jetzt so fremdartig auf seine
Umgebung herniederblickt.
Im Jahre 1440 ereignete es sich, daß das
schlecht gemauerte Gewölbe der vom Landgrafen
Heinrich dem Eisernen um 1330 begonnenen,
durch die Ungunst der Zeit aber erst um 1357
zu einem gewissen Abschlüsse gelangten St.
Martinskirche, des hohen Domes unseres Hessen-
landes, einstürzte, wodurch viele Menschen ge-
tödtet und verwundet wurden. Die Wieder
herstellung der Kirche war kostspielig. Es
wurden deshalb im ganzen Lande Gaben ge
sammelt und mit diesem Geschäfte der Kanonikus
Matthias Theyß beauftragt, dem sich der vom
Judenthum zum Christenthum übergetretene ehe
malige Rabbi Leonhard von Schweinfurt anschloß.
Dieser war nach seinem Uebertritte vom Papste
Martin V. und der Kirchenversammlung zu
Basel mit Ertheilung von Ablaßbriefen betraut
worden, kam auf seinen Reisen auch nach Hessen
und erwarb sich wegen seiner ärztlichen Kennt-