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spielerin Henriette Schmidt, sagt von ihm in
ihren hinterlassenen Aufzeichnungen: „Mit seiner
wnndervollen, hohen, gutgeschulten Stimme, dem
richtigen Verständniß der ihm gestellten Aufgabe,
löste er diese immer mit der größten Künstler
schaft. Dabei unterstützte ihn lebendiges, stets
der Situation angemessenes Spiel, bewegliche
freie Handlung und eine sehr schöne Persönlich
keit. Sein Darstellungstalent kam dem seines
Gesanges fast gleich. In Partien wie Max im
Freischütz, Johann von Paris, Tamino, Florestan,
Sargines, Nadori in Jassonda wurde er von
keiner der damals lebenden Kunstgrößen erreicht.
Seine beste Rolle war Adolar in Webers Eury-
anthe, sein ganzes Wesen, Stimme, Bortrag und
Spiel, war für diese Rolle wie geschaffen." Der
vor ihm auch in der Blüthe seiner Jahre ver
storbene Dichter Ernst von der Malsburg hat ihn
im Jahre 1822 mit folgenden Versen gefeiert:
Wenn Dein Lied in sanften Tönen
Dringt an unser Ohr,
Hebt cs uns zum Quell des Schönen
Zauberisch empor.
Singe, lieber Sänger, singe
Deine Melodiken,
Die uns auf der Engel Schwingen
Leise mit sich zieh'«.
Glaub' cs nur, was Deinem Munde
Zauberisch entthaut,
Ist, was Gott in sel'ger Stunde
Engeln anvertraut'.
Den Kasseler Kunstfreunden war es aber nur
wenige Jahre vergönnt, sich an der unvergleich
lichen Stimme des gottbegnadeten Sängers zu
erfreuen. Sein erstes Auftreten fand am 28. Juli
1821 in Spontini's Vestalin statt, und nur ein
mal war es ihm vom Schicksal vergönnt, in seiner
glänzendsten Partie in der am 28. Juli 1824
zum erstenmal gegebenen Oper Euryanthe auf
zutreten. Sie war sei Schwanengesang.
Von einer kurz darauf unternommenen Kunst
reise kehrte er krank zurück und eine sich schnell
entwickelnde Lungenzehrung endete das Leben des
so viel bewunderten Künstlers am 1. Juni 1825
in der Blüthe seiner Jahre. Wie groß und all
gemein die Trauer über sein frühes Hinscheiden
war, zeigte sich bei seiner Beerdigung. Dem
Sarge folgte eine überaus große Anzahl seiner
Freunde und Veehrer, sowie sämmtliche Mitglieder
des Theaters und Orchesters. Unter Trauer
gesang wurde der Leichnam aus dem Hause ge
tragen und mit Trauermusik eingesenkt. Am
Grabe widmete Hofrath Niemeyer dem Andenken
des Künstlers Worte der Feier und der Wehmuth.
Die Kasseler Zeitung zeigte seinen Tod mit
folgenden Worten an:
„Eine der anmmhigsten Stimmen ist hiernieden
auf immer verstummt. Friedrich Gerstäcker, gleich
liebenswürdig als Mensch, wie als Künstler, ist
diesen Morgen nach einem langwierigen Kranken
lager im Kreise einer trostlosen Familie und tief
betrübter Freunde in den besten Altersjahren
verschieden. Unsere Oper verliert in ihm den
seltensten Schmuck und Reiz und Deutschland
gewiß einen seiner ersten Tenoristen."
Gleich in dem ersten Jahre seiner Bühnenthärigkeit
am Kasseler Hoftheater hatte Gerstäcker auch
Gelegenheit gehabt, Anerkennung seiner Leistungen
von der berühmtesten Sängerin ihrer Zeit, zu
finden. Es war die am 23. Februar 1749 als
Gertrud Elisabeth Schmehling in Kassel geborene
und zu einem Weltruf gelangte Mara. Sie
hatte Kassel schon in ihrem sechsten Lebensjahre
verlassen und in ihrem langen Leben ihre Vater
stadt nur zweimal auf wenige Tage wieder auf
gesucht, zum letzten Mal im Oktober 1821.
Die Kasseler Kunstfreunde hatten damals ihre
berühmte Landsmännin außerordentlich gefeiert,
vor Allen aber die Kurfmstin Auguste, welche
sie gleich nach ihrer Ankunft zu einer musikali
schen Abendunterhaltung zu sich einlud. Die
72jährige Sängerin hatte hier durch den Vor
trag der Arie aus Händels Messias „Ich weiß,
daß mein Erlöser lebt," allgemeines Entzücken
und Erstaunen erregte. Bei einem am 11. Ok
tober ihr zu Ehren im Stadtbau gegebenen Kon
zert war auch die Kurfürstin erschienen, und der
Künstlerin, als diese den Saal betreten, entgegen
gegangen und hatte sie auf den Platz neben sich
geführt. In einem damals erschienenen Bericht
über dieses Konzert wird gesagt: „Der Gesang
der Madame Arnold, geborene Reuter, uunseres
Lieblings Gerstäcker und das Violinspiel des
Herrn Wiele boten einen großen Kunstgenuß.
Nach Beendigung des Konzerts wurde Mara
von dem Adjutanten des Kurprinzen, Hauptmann
von Steuber in den Speisesäal geführt, wo Kunst
freunde ihr zu Ehren ein Abendessen arrangirt
hatten und wo sie unter Pauken- und Trompetey-
schall begrüßt wurde. Nach der Mahlzeit bot
sie der Gesellschaft durch den Vortrag einiger
Kavatinen den herrlichsten Genuß, worauf ihr
Gerstäcker, der allein dazu würdig befunden war,
einen Lorbeerkranz aufsetzte.
Der Enthusiasmus für die berühmte Lands
männin war so groß, daß beschlossen wurde, ihr
an der Stelle, wo sie im Konzert gesessen hatte,
ein Denkmal zu errichten, welches in einer da
selbst einzusetzenden erzenen Platte mit ihrem
Namen und Geburtsort und den Tag des Kon
zertes bestehen spllte."