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Im Mai ergeht allerhöchster Befehl, wonach die
Polizei dafür zu sorgen hat, daß am Himmelfahrts
tage und am zweite« Pfingsttage am Wilhelmshöher
Thore Wagen bereit stehen, welche für weniges Geld
Personen nach Wilhelmshöhe fahren.
Am 12. Jum wird der erste Viehmarkt auf dem
Forste abgehalten und mit Musik eröffnet.
Am 7. November stürzt sich die Gouvernante der
gräflich Reichenbach'schen Kinder aus dem 2. Stock
des Palais in den Hof und bleibt todt.
Am S. November 1828 wird bekannt gemacht,
daß vom Zeughause an eine neue Straße (die Ar-
tilleriestraßch angelegt werden soll. Die Verschöne-
rungSkomission erhält von jetzt an den Namen Ver-
größerungskomission.
Am 13. December ergeht Befehl, die Lindenbäume
auf dem Friedrichsplatz auszuroden und neue zu
pflanzen. *
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Etwas von ISröme. In einer, der hessischen
Geschichte gewidmeten Zeitschrift kann auch des Hiero
nymus Bonaparte, weiland Königs von Westfalen,
gedacht werden. Ich war, so erzählte mir vor fünf
zig Jahren der, im Jahre 1856 auf seinem Schlosse
Bodenstein auf dem Eichsfeld verstorbene, vormalige
Württembergische Minister, Graf Winzingerode im
Jahre 1815 Gesandter des Königs Friedrich von
Württemberg im Hauptquartier der Verbündeten.
Ich hatte vom König auch den Auftrag erhalten, da
für zu sorge«, daß man seinen Schwiegersohn
Jörüme, der bekanntlich in der Schlacht bei Waterloo
ein Kommando gehabt, unangefochten nach Württem
berg entkommen laste. Meine, selbstverständlich vor
sichtigen Erkundigungen nach dem Aufenthalt
JärSmes hatten keinen Erfolg. Eines Morgens, es
war, wenigstens für Paris, noch recht früh» weckte
mich mein Diener, mit der Meldung, es sei ein Herr
da. welcher mich baldigst zu sprechen wünsche, und
sich nicht habe abweisen lassen, seinen Name» jedoch
nicht nennen wolle. Etwas besonderes vermuthend,
stand ich auf, kleidete mich an, und ließ den Fremden
eintreten. Es war der vormalige König von West
falen, in der einen Hand einen ziemlich großen Kasten
tragend. Anfangs wollte er sich mir gegenüber, wie
man zu sage» pflegt, noch auf den König spielen.
Ich bemerkte ihm jedoch sehr kühl, er möge daS lasten;
das Stück habe ausgespielt, und ich würde froh sein,
wen» ich ihn, den Schwiegersohn meines Königs,
dessen Auftrag gemäß, durch die alliirte» Armeen «n-
! gefährdet nach Württemberg dirigirt hätte. Wir be-
prachen hierauf die zu ergreifenden Maßregel». Ich
besorgte die nöthigen Päffe, und Jöröme konnte noch
an demselben Tage Paris verlassen. JörSme bat
mich de« Kasten zu bewahren, er enthalte die West
fälischen Kronjuwele». Endlich, und das ist der
Humor der Geschichte, mußte ich ihm noch einen
Kamm und ein Hemd leihen. Den Kasten habe ich
getreulich abgeliefert, Kamm und Hemd aber nie
wieder gesehen, was freilich nichts schadete, da ich
doch kernen Gebrauch mehr davon machen konnte.
Sic transit gloria mundi! v , qx.
Aus Aeirrraty und Fremde.
Kassel. Flügel-Feier. Die in der
vorigen Nummer kurz erwähnte Feier deS acht
zigsten Geburtstages deS Professors Dr.
Flügel gestaltete sich durch die vielfachen Beweise
der Liebe und Verehrung, welche dem hochgeschätzten
Lehrer von einer überaus großen Anzahl seiner ehe
maligen Schüler dargebracht wurden, zu einem wahr
haft seltenen Feste. Diese Liebe und Verehrung zeigte
sich namentlich bei dem am Abend des Tages in den
Räumen des Lese-Museums veranstalteten Festessen,
bei welchem der älteste der anwesenden ehemaligen
Schüler, Geh. Regierungsrath Fritsch, den Gefühlen
aller Anwesenden m folgenden Worten Ausdruck ver
lieh : „Wir feiern heute ein ebenso seltenes, als frohes
Fest, einen achtzigsten Geburtstag» welchen in geistiger
Frische und körperlicher Rüstigkeit zu erleben, dem
Geburtstagskind durch GötteS Gnade vergönnt ist.
Unwillkürlich richten sich da unsere Blicke in die
ferne Vergangenheit. Im Jahre 1835 geschah rS,
daß an Stelle des alten Lyceum Fridericianum hier
ein staatliches Gymnasium errichtet wurde. Tüchtige
Lehrer wurden an dasselbe berufen, darunter Dr.
Flügel, welcher damals in der Blüthe deS Lebens
stand. Bald gehörte er zu den tüchtigsten Lehrern
der Anstalt und gewann sich rasch die Liebe und Ver
ehrung seiner Schüler durch die Art, wie er dieselben
behandelte, und durch seine anziehende Lehrwrise.
Weit entfernt vnn lässiger Handhabung der Schul
zucht übte er solche auch keineswegs in pedantischer
Weise. Kleinigkeiten übersehend, wußte er durch
einen Blick oder ein Wort de» sich vergessende«
Schüler zu seiner Pflicht zurückzuführen. Bei dem
anregenden und fesselnden Vortrag Dr. Flügel's,
welchem die Schüler von selbst stets aufmerksam
folgten, war solches nur höchst selten nöthig.
Lange Jahre, mehrere Generationen hindurch hat
er an obengedachtem Gymnasium gewirkt, zahlreiche
Schüler kamen und gingen; keiner aber hat die
Schule verlassen und ist in' die Welt hinausgegangen,
ohne ihm Zeit seines Lebens Dankbarkeit und Liebe
zu bewahren. Davon geben die vielen Glückwünsche,
welche heute aus der Ferne hier eingelaüfen sind und
auch der große Kreis Zeugniß, welcher sich heute «m
den geliebten Lehrer versammelt hat. Besitzt derselbe
auch nicht Weib und Kind, so fehlt ihm doch nicht
die Familie. Denn diese Hilden wir, seine ihm mit
Dankbarkeit und Liebe verehrenden Schüler , deren
Herze» von den wärmsten Wünschen füx das fernere
Wohlergebe» unseres vorhinnigen Lehrers erfüllt sind.
Möge es ihm beschicken fein, noch viele Jahre in
Gesundheit und Frohsinn unter uns" zu weilen!
Bevor ich Sie, meine Herrn, nun auffordere, diese
Wünsche durch ein lautes Hoch auf Herrn Professor
Flügel zu bekräftigen, überreiche ich demselben hier
mit einen Becher, welcher- s. Z. einem Lehrer von
seine« dankbaren Schülern gewidmet ist. Er wurde
dem letzte» Rektor des I-yovnms, Professor Dr.
Caesar zu seinem 50jährigen Jubiläum von diesen
verrehrt, und ging dann in den Besitz seines Neffen,