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der arme Mosenthal, und ich — nun. ich lachte
gewiß auch nicht." —
Ordinarius der Tertia war damals der hochge
schätzte, noch unter uns lebende Prof. Dr. Ftuegel.
Dieser hat, wie er mir mitgetheilt, damals nicht
in Tertia den deutschen Unterricht gehabt und weiß
überhaupt nichts von dem, was Dingelstedt von
ihm in Beziehung auf Mosentyal erzählt; letzterer
habe ihm nur zu der Zeit ein von ihm verfaßtes
Gedicht überreicht, welches er bis jetzt aufbewahrt
habe.
Wenn nun dieses mir gütigst zurVerfügurlg gestellte
bisher ungedruckte Gedicht Moscnthals auch nur als
„Schnahelstudie eines noch nicht flüggen Sing
vogels" zu betrachten ist, so möchte die hier
folgende Veröffentlichung desselben bei der Be
deutung, welche dieser vaterländische Dichter später
erlangt hat, doch wohl von Interesse sein.
KaUrenstein.*)
Wenn du auf den Taunus wanderst, über Thal und Berg
und Höh'n,
Wird dein Auge, aufwärts blickend, eine alte Feste seh'n.
Bon dem Morgenroth bestrahlet, glänzte ehmals sie so hehr,
Aber jetzt ist sie verfallen und sie glänzt, sie glänzt nicht
mehr.
Ehmals Feste, jetzt Ruine und ein grau bemoost Gestein
Und ein Horst der wilden Vögel steht dort oben Falkenstein.
Seine Thürme sind zerfallen und dahin ist seine Pracht,
Seine Zimmer sind zertrümmert und der Erde gleichgemacht.
Bon dem ganzen Werke raget nur ein Thurm noch riesen
groß,
Zeuget von gefallener Größe, zeugt von allem irdischen Loos.
Ach! so sinket alles Große, einem dunkeln Loos geweiht,
Bon dem Zahn der Zeit benaget, in den Schooß der
Ewigkeit,
Und von allem unserem Ruhme bleibt uns nichts auf
dieser Welt
Als des Angedenkens Blume, die der Nachwelt sich erhält.
Hohe Burg, Du liegst zertrümmert, Deines Landes Schutz
und Zier!
Schaurig ist mir Deine Nähe, aber heilig ist sie mir.
Wenn auch einsam Deine Mauern, dennoch sind sie sonder
Graus,
Und des Staubgebornen Schicksal, offen breitet sichs mir au-.
Sieh' den Fels, in dem derMeisel eine Stiege sich erbaut,
Al- der Herzog sein geliebtes Nassau jüngstens überschaut!
Ach! auch dieser Fels zersplittert liegt er bald in einem Nu,
Und auch Du, v Herzog, eilest Deinem Grabe zu!
Hat vielleicht der Feste Gründer auch von hier hinaus geschaut.
Auf das Werk, das er so herrlich uns dem Felsen sich erbaut?
Ach! der Herr und seine Ahnen, schlummern im tiefen Grab.
Und da sinkst auch Du, o Herzog, sinket jeder Mensch hinab.
Rühe aus, mein treuer Führer, lagere Dich ins schöne Grün
Und der greise Führer ruhte, und ich ruhte neben ihm.
Als ich .nach der Feste Ursprung, ihn zu fragen nun begann,
Wie die hohe Burg entstanden? hub der Führer also an:
Graf Philibert, der Getreue, ist's, der diese Feste hier
Aufgebaut des Landes Wehre und der Gegend Schmnck
und Zier;
*) Die Burg Falkeuftein liegt im Taunus auf einem Hügel am
Fuße des Feldbergs. Die Eytstehungsgeschichte ist völlig erdichtet,
ich weiß nicht, ob eine andere Sage von der Burg eristirt.
Kassel, 3. August 1837.
Denn der Köniasteiner drüben, dessen Burg am Berge lag,
War an Höh' ihm überlegen und besiegt ihn jeden Tag.
„Eine Burg will ich mir bauen, sprach Philibert groß
und frei,
Die die andern überstrahle und der Schmuck der Gegend sei."
Ritt hinaus zum höchster Gipfel, ließ drei große Stämme
hau'n.
„Droben, wo die Bäume liegen, will ich meine Feste bau'n."
Aus den Schlünden ließ er graben Sand- und Kalkstein
roth und weiß,
Fensterscheiben ließ er blasen, hell, wie damals Winterreis,
Und schon wölbte sich die Kuppel aufmärtS zu des Himmel-
Blau,
Und schon grenzt die hohe Säule nahe an der Wolken Grau,
Eine Mauer ließ er ziehen, fest, wie sie noch immer steht,
Und es hoben sich die Thürme auf in prächtiger Majestät.
Aber — eh' die Burg vollendet, eh' das Werk noch- ganz
vollbracht —
Da ertönt wilder Kriegsruf und das Banner winkt zur
Schlacht.
„Leb denn wohl, Du traute Feste, ach ich muß von hinnen
geh'n,
Aber, wenn ich wiederkehre, werd' ich Dich vollendet seh'«."
Und es fühlt das Roß die Sporen und es zieht Philiberts
Macht,
Und es schmettern die Trompeten und das Banner winkt
zur Schlacht.
Sieh! Philiberts treuer Falke seinen Käfig schnell verläßt,
An den Arm des theuren Herren klammert er sich fest und fest,
Klatschet freudig mit den Schwingen', hält sich fest mit
aller Macht,
„Geh, Du bist zum Jagen tauglich, doch Du taugest nicht
zur.Schlacht."
Doch der-Vogel hält sich mächtig, seinen Herrn er nicht
verläßt,
Freudig klascht er mit den Schwingen, klammert fester sich
und fest.
„Nun so komm, Du treuer Vogel, zieh' dann mit mir
Hirt zum Krieg,
„Theile mit mir Müh' und Sorge, theile mit mir Ruhm
und Sieg!"
Jetzt nun donnert das Geschütze und die blanke Lanze klirrt
Und es fallen viele Schüsse und der scharfe Schwerthieb
schwirrt.
Furchtbar knallt die Donnerbüchse, blitzend haut des
Schwertes Stahl
Und das Echo wild erdröhnet und voll Schreckens ist da-
That
Und es sieget Graf Philibert uud es siegt sein Heldenmuth. —
Doch — er selber stürzt getroffen und der Boden trinkt
sein Blut.
So nun lag er — eine Leiche — starr und kalt am Boden da,,
Doch das Auge, halbgebrochen, auf den theuern Vogel sah.'
Schwarzes Dunkel deckt die Erde, grauserfüllet wir- die
Nacht, .
Aber fest bei seinem Herren der getreue Vogel' wacht,
Und er krächzt aus tiefer Kehle, schlägt die Flügel mit Geschrei
Und man hört die Klagetöne; „eilet hilfreich schnell herbei"
Und nun finden sie den Falken, er bewacht des Helden Blick
Und Philibert ruht, wie schlafend, neben ihm in treuer Hut.
Eilig nehmen sie den Grafen, hüllen ihn in Tücher ein,
Bringen ihn mit wilden Flüchen zu der Feste Königstein.
Sorgsam heilt man seine Wunden, denn nicht frommt
brochenes Herz,
Leben soll er, sehen soll er, fühlen soll er seinen Schmerz
Und was hilft dem Grafen Hilfe, die er bei dem Feircke
fand?
Sterben konnte er als Freier, nun lebt er in Feinde- Haüd,