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festung gegen Preußen zu. Ohngeachtet unser
Paß durchaus unrichtig war, so kamen wir dennoch
— mirabile dictu — glücklich wieder zur Stadt
hinaus. Von da gings in's Preußische über
Trenenbrietzen, Zehlendorf, Potsdam nach Berlin.
In Berlin mußten wir beinahe vier Wochen
bleiben; Theils weil sich hier täglich neue Flüchtlinge
einfanden und wir alles gemeinschaftlich unter
nehmen wollten, Theils weil wir erst aus die
Rückkunft des nach Schill gesandten Abgeordneten
warteten, Theils auch, weil man beinahe für
gewiß glaubte, Preußen werde mit Oesterreich
gegen Frankreich sich verbünden. Indessen er
folgte Schill' s Niederlage, Preußen blieb ruhig,
und wir selbst mußten auf eine baldige Retirade
ans Berlin bedacht sein, da es leicht möglich war,
daß die Spione des französischen und westphälischen
Gesandten unsern Aufenthalt einmal auskund
schaften möchten und alsdann Preußen uns ans
jeden Fall ausgeliefert haben würde. Ich und
ein preußischer Major erhielten vom österreichischen
Gesandten Pässe als österreichische Kuriere und
Geld, desgleichen auch Depeschen an den Erzherzog
Karl, den Staatsminister Graf Stadion und
andere hohe Personen. Damit versehen, reisten
wir beide von Berlin bei Tag und Nacht als
Kuriere durch Preußen, Schlesien, Mähren und
Oesterreich nach Wolkendorf, wo damals Franz II.
sein Hoflager hatte, und nach Wagram, wo das
österreichische Hauptquartier war. Wir wurden
gut empfangen, erhielten selbst zur Reise nach
Wagrain eine kaiserliche Equipage und lebten
übrigens gut, da es uns an Geld nicht fehlte.
Damals stand das Freikorps des Herzogs von
Braunschweig mit den Oesterreichern in Dresden,
und da ich wie alle meine Kameraden gesonnen
war, mich bei diesem engagiren zu lassen, so
reiste ich mit dem Obersten v. D(örnberg),
den ich in Wagram traf, über Prag nach Dresden
zu. In Prag traf ich den damaligen Rittmeister,
nunmehrigen Major v. B(aumbach), ich sah
das neu geworbene kurhessische Freikorps, welches
aus Husaren, Dragonern, Grenadieren, Garden,
Jägern, Füsilieren und Artillerie bestand und
ließ mich engagiren. Wie ich zu dem Ende zum
Kurfürsten ging und meinen Namen nannte, er
innerte er sich augenblicklich meines Vaters und
fragte gleich, ob ich dessen Sohn sei. Er wollte
mich nur zum Unterleutnant bei den Jägern
machen, indessen ich wollte bei die Husaren, und
da ich auf seine Frage, ob ich Pferde und Geld
zur Equipage hätte, nein antwortete, so mußte
ich vor der Hand Junker werden; denn mir
oder einem meiner Kameraden, die doch alles auf
geopfert und verloren hatten, Geld vorzuschießen,
dazu ist er viel zu geizig. *) Ohngeachtet nun bei
seinem Korps viele Verbesserungen angebracht
waren, indem z. B. die Infanterie statt der ehe
maligen Hüte französische Tschakos und graue
Chenillen, * 2 ) auch die Dragoner österreichische Helme
und österreichischen Schnitt tragen, so ist der
Kurfürst doch immer noch der alte erbärmliche
Hecht; unter anderm mußten seine Soldaten, so
lange sie wenigstens in Prag auf der Parade
waren, die alten infamen Zöpfe tragen. Acht
Tage nach meinem Engagement marschirten wir
aus Prag in das Feld, ein Theil des Korps
stand schon im Felde und damals in Dresden.
Gott weiß es, welche sonderbaren Gefühle meine
Brust durchglühten, wie wir unter fliegenden
Fahnen und klingendem Spiele aus der Stadt
marschirten. Wenn ich so ein Jahr nur zurück
dachte, wo ich noch Advokat und nun ein Husar
aus mir geworden war!. Dazu kam bei den
großen Fortschritten, welche die Oesterreicher,
Braunschweiger und Hessen in Sachsen gemacht
hatten, der beseligende Gedanke, in wenigen Wochen
ziehen wir so siegreich in Kassel zum Frankfurter-
Thor ein! Ich mag und darf an alle diese zer-
trümmerten Hoffnungen gar nicht zurückdenken.
Es ist in der That schrecklich niederschlagend!
Wenige Wochen hernach wurde ich dann Cornet
oder, wie es nach der österreichischen Ordonnanz
heißt, Unterleutnant. Wir marschirten in's Bay-
reutische, machten einen Theil des 11. Armee
korps aus und standen unter dem Oberbefehl des
Feldmarschalls K(ienmayer). Bei der bah-
reutischen Stadt Berneck stand der Feind, aus
Franzosen und Bayern unter dem Kommando
des Marschalls Ihn not) bestehend. 3 ) Es war
ben 9. Juni 1809, als wir mit ihnen die
Affaire hatten. Ohngeachtet das Terrain, das
aus lauter steilen Bergen, Wäldern und Felsen
bestand, für den Feind sehr günstig war, so wurde
er doch geschlagen. Unsere Husaren standen
stundenlang unter dem feindlichen Kartütschenhagel,
aber zum Glück flogen die Kugeln über die Köpfe
weg und wir verloren nur ein Pferd. Zum
Einhauen kamen wir nicht. Gegen Nachmittag
war die Stadt Bcrneck von unseren Leuten ein
genommen, und nun hieß es abermals: Kavallerie
vor, um den fliehenden Feind zu verfolgen. Hinter
Berneck gegen Abend setzte sich der Feind noch
y Seine Offiziers-Uniform erhielt Dithmar vom Kur
fürsten aber doch vorschußweise; denn er schreibt weiter,
daß er dem Kurfürsten darauf noch Geld schuldig sei.
*) Mäntel.
3 ) Hier begeht Dithma r zwei Irrthümer, da die Bayern
nie unter Junot gestanden haben und dieser nie Marschall
gewesen ist.